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What the fuck sind Fakten?

»Faktum« ist neben »Evidenz« der Krisengewinnler unter den Wörtern. Die inflationäre Verwendung verwäscht die Bedeutung.

Was sind Fakten?

Eine Tatsache, auch Fakt oder Faktum (factum, res facti; altgriechisch πράγματα), ist je nach Auffassung ein wirklicher, nachweisbarer, bestehender, wahrer oder anerkannter Sachverhalt. (Quelle Wikipedia →Tatsache )

Hinweis: Teile dieses Artikels waren ursprünglich ein Abschnitt in Die Spaltung der Gesellschaft Es kann also keine alternativen Fakten geben. Fakten müssen objektiv nachweisbar oder so weit anerkannt sein, dass sie unstrittig sind. Sind sie es nicht, weil es »alternative Fakten« dazu gibt, waren es keine Fakten. Anders gesagt und um ein weiters Modewort einfließen zu lassen: Ein Faktum ist per Definition alternativlos.

Als Faktum betrachtete Sachverhalte können ihren Status auch wieder verlieren, etwa wenn neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Allerdings ist ein Faktum nicht demokratisch herstellbar – die Erde wird nicht flach, indem eine Mehrheit fest daran glaubt oder behauptet, dass sie flach sei.

Weil Fakten zwangsläufig für alle gleich sind, bilden sie für das demokratische Zusammenleben jedoch eine hervorragende Grundlage. Fakten anzuerkennen bedeuten aber auch, sich von liebgewonnenen Überzeugungen und Glaubensvorstellungen, die sich nicht objektiv haben nachweisen lassen, zu verabschieden – auch dann, wenn das Festhalten an diesen Überzeugungen vielleicht bequem war. Das ist psychologisch nicht ganz einfach aber in bestimmten Situationen einfach notwendig. Eine Pandemie ist eine solche Situation – sie stellt, wenig überraschend, unser Leben auf den Kopf und damit unsere Überzeugungen auf den Prüfstand.

Etymologie

Wie das Wort »Faktum« in unsere Sprache fand.

Parallel mit dem Begriff »Alternative Fakten« scheint auch eine Verwirrung um die Wortherkunft entstanden zu sein. Es wird erzählt, das Wort »Faktum« käme aus dem Lateinischen, sei abgeleitet von facere (»machen, tun«) und bedeute somit »das Gemachte« oder »das, was gemacht wurde«. Damit wäre die Auffassung gestützt, dass mensch sich halt einfach alternative Fakten selber stricken könne, wenn ihm die eigentlichen Fakten nicht in die Erzählung passen.

Tatsächlich bedeutet Faktum aber »das Geschehene, Handlung, Tat« also »gemacht« im Sinne von »getan haben« und nicht im Sinne von »konstruiert«. Vor allem im juristischen Kontext werden nachgewiesene, für alle Parteien offensichtliche Taten beziehungsweise »das was Geschehen ist« als »Faktum« bezeichnet. Fakten etymologisch in die Nähe »konstruierter Wahrheiten« zu verschieben, würde also die eigentliche Wortherkunft auf den Kopf stellen. Schön nachzulesen im Wiktionary → Faktum.

Fakten schaffen!

Was bedeutet dann die Redewendung: »Fakten schaffen«?

Faktum wird sehr breit verwendet – in der Rechtssprechung genau so wie in den Naturwissenschaften. Wie Fakten entstehen, hängt aber wohl stark davon ab, von welcher Art Faktum wir sprechen.

Im naturwissenschaftlichen Bereich lassen sich Fakten eher nicht schaffen – sie waren ja immer schon da, allenfalls wurde der nun ein Faktum seiende Sachverhalte entdeckt, beschrieben oder bewiesen. Die Erde war schon immer eine Kugel – zum Faktum wurde dieser Sachverhalt erst, als er entdeckt und dann bewiesen werden konnte. Das war die Geschichte mit den Segelbootmasten am Horizont. Dieses Faktum wurde also von ihren Entdeckern nicht geschaffen sondern eher festgestellt.

Im rechtlichen Bereich beziehungsweise dort wo es vor allem um Vereinbarungen oder anerkannte Ansichten geht, lassen sich Fakten aber eben schon schaffen: Dass Rom zu Italien gehört, ist breitest anerkannt und stand so weit ich weiß nie zur Debatte. Bei Südtirol ist das heute genau so klar – allerdings erst nachdem der italienische Staat durch das Ansiedeln italienischstämmiger Bewohner Fakten geschaffen hatte. Das ist gelungen und so ist Südtirol heute faktisch italienisches Staatsgebiet. Ob den Israelis ähnliches in den besetzten Gebieten gelingen wird, ist hingegen unklar. Fakten zu schaffen kann dauern und natürlich kann es auch misslingen.

… mit der Kettensäge …

Fakten können also geschaffen werden, indem ein Zustand irreversibel verändert wird: Beispielsweise mit Kettensägen. Die Lobaubesetzer meinen: »Noch vor diesem Termin wollte Bürgermeister Ludwig offensichtlich Fakten schaffen, indem er so viele Bäume wie nur möglich töten ließ.« »töten« – naja, fällen wäre meiner Ansicht nach das passendere Verb gewesen – aber das tut hier nichts zur Sache. Klar, die Erhaltung eines bereits gefällten Baumes lässt sich schwer verhandeln.

… oder dem Bagger

Ähnlich erging es einem alten Bauernhaus in Igls beziehungsweise dessen Spitzbogen: Um für den Umbau der örtlichen Raika Platz zu schaffen, wurde dieses historische wertvolle Fassadenelement zu allererst von einem Bagger aus der Wand gerissen – nur wenige Minuten bevor die nicht so erfahrenen Igler Denkmalschützer sich rettend vor ihn werfen konnten. Die Baufirma hatte also Fakten geschaffen, die nicht mehr umkehrbar waren. Aus einem faktisch denkmalgeschützten Gebäude wurde ein Abrissfall. Die Denkmalschützer mussten unverrichteter Dinge abziehen. Das Ortszentrum von Igls hat nun einen zusätzlichen Bankomaten und ein gesichtsloses Geschäftsportal mehr im Ortskern. Auf lange Sicht ein vermutlich schlechter Deal. Der Vorgang des Schaffens von Fakten, die ihrem Wesen nach dann unstrittig sind, selbst, ist oft umstritten.

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