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Wann kommt das nächste Hochwasser?

Dass uns die Donau im Strombad wieder besuchen kommt ist fix – die Frage ist nur wann und mit welchem Pegel.

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

-- Mark Twain(?)

Das für uns Strombadler stets hochrelevante Thema Hochwasser verschwindet mehr und mehr aus dem kollektiven Gedächtnis. Der Grund ist wohl, dass seit 2013 – inzwischen sind das über 10 Jahre – kein relevantes Hochwasserereignis die Strombadsiedlung mehr heimgesucht hat. An sich erfreulich birgt diese ungewöhnlich lange Pause die Gefahr, dass vor allem Neo-Strombadler, wie beispielsweise der Autor dieser Zeilen bei der Garten- Haus- oder auch der Lebensplanung, den Faktor Hochwasser nicht ausreichend berücksichtigen.

Zum Heurigen per Boot? Besser nicht! – die Strömungen im überfluteten Strombad sind nicht zu unterschätzen.
Nach dem Hochwasser: Die hinterlassenen Sedimente sind beträchtlich, die Sitzbank auf diesem Bild ist kaum zu erkennen.

Mit verantwortlich dafür sind vielleicht auch Erzählungen, wie dass es die Kraftwerksbetreiber in der Hand hätten, ob oder zumindest wie stark unsere Siedlung überflutet wird. Eine ähnliche Schnurre gibt der Stadt Wien die Schuld am Ausmaß der Überschwemmungen in Kritzendorf: Um das Donauinselfest nicht zu gefährden, wäre das Entlastungsgerinne nicht geöffnet worden. Der Rückstau hätte dann Kritzendorf überflutet. Gestützt wird diese These durch Beobachtungen, wie dass kurz nach Öffnen des Entlastungsgerinnes bei Wien die Pegelstände in Krido gefallen seien. Auch die letztendlich verlorene Klage der Stadt Klosterneuburg gegen die Kraftwerksbetreiber, solle eine Rolle spielen. Demnach würde der vor neuerlichen Klagen »zitternde« Verbund unser Siedlung schützen.

Was sagen die Zahlen?

Die Bewohner der Ankervilla haben schon länger Buch geführt. Diese Aufzeichnungen der Vorbesitzer ergänzt und in ein Diagramm gegossen, zeigen eine ungewöhnliche lange Pause seit 2013. Wenn wir den für eine Räumung des Strombades relevanten Pegel von 650 cm als Messlatte nehmen, gab es seitdem überhaupt kein Hochwasser mehr.

Hochwasserpause – die bis 2002 zurückreichenden Aufzeichnungen von Bewohnern zeigen, dass die Pausen zwischen Überflutungen die eine Räumung des Strombads erforderlich machten (grüne Pfeile), seit 2014 ungewöhnlich lang sind. Die längste Pause vor 2014 war 4 Jahre. Seitdem sind über 10 Jahre vergangen ohne dass es ein einziges solches Ereignis gab.

Die Frage ist nun: Taugt eine solche Anomalie schon als Beweis oder zumindest Indiz, dass Hochwasserereignisse seit 2014 besser gesteuert und Überflutungen verhindert werden?

Offizielle Aufzeichnungen

Um nicht auf private und vielleicht lückenhafte Aufzeichnungen angewiesen zu sein, haben wir uns an die Viadonau gewandt und von dieser freundlicherweise zuverlässige und lange zurückreichende, tägliche Daten bekommen. Diese Tagesmittelwerte in zwei Gruppen – bis 2013 und ab 2014 – geteilt, offenbaren schon beim arithmetischen Mittelwert einen deutlichen Unterschied: 292 cm versus 276 cm. Im letzten Jahrzehnt ist signifikant weniger Wasser die Donau hinunter geflossen. Im letzten Jahrzehnt ist also signifikant weniger Wasser die Donau hinunter geflossen als im vorhergehenden. Ein Umstand der einer Überflutung naturgemäß eher entgegen wirkt.

Der durchschnittliche Pegelstand ist seit 2014 nur leicht gesunken, die Anzahl der Hochwasserereignisse hingegen stark.

2004 - 2013 2014 - 2023
⌀ Pegelstand (arithm. Mittel ü. 9 J.) 292 cm 276 cm
Überflutung (über 600 cm) 25 Tage 1 Tag
HSW-Überschreitungen ohne Überflutung (546-599 cm) 25 Tage 9 Tage

Mittlerer Pegel und Hochwasserereignisse 9 Jahre vor und nach dem 2013er Hochwasser: Offensichtlich sind nicht nur die Überflutungen weniger geworden, auch der Höchste Schifffahrtswasserstand (HSW) wurde kaum noch überschritten.

Wenn wir die Anzahl der hochwasserrelevanten Pegel­über­schreitungen bis 2013 und ab 2014 gegenüber stellen, sehen wir, dass die Wahrscheinlichkeit für ein zufälliges Auftreten der niedrigeren Pegelstände ab 2014 minimal ist. Im Umkehrschluss muss es also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen oder mehrere externe Faktoren für die Hochwasserpause seit 2013 geben.

Überschreitungen des HSW sind um 80% zurück gegangen.

2004 bis 2013 2014 bis 2023
Niedrigwasser unter RNW 81 Tage 96 Tage
normaler Wasserstand 3367 Tage 3393 Tage
über HSW 50 Tage 10 Tage

Niedriger, normaler und zu hoher Wasserstand: Der Unterschied zwischen den Perioden bei den hohen Pegelständen ist so eklatant, dass Zufall als Ursache praktisch ausscheidet. Die geringfügig häufigeren Niedrigwasserereignisse ab 2014 passen zu dem geringeren Mittelwert dieser Periode.

Graphische Darstellungen

Spannend auch die graphische Darstellung der Häufigkeits­ver­teilung bestimmter Pegelstände: Die Balkendiagramme bis 2013 zeigen häufige Über­schreitungen der kritischen Marken von 545 cm (HSW, lila) und 590 cm (Treppelweg, rot)1.

Bis 2013 waren hohe Pegelstände (rot) häufig …
… ab 2014 kamen sie kaum noch vor. Auch die kritischen beinahe-Überflutungen (violett) wurden weniger. Die Verteilung der normal-Pegel (grün) und Niedrigwasser (braun) unterscheiden sich nur wenig von der Vorperiode.


Legen wir die Datenreihen bis und nach 2013 in ein und das selbe Diagramm, sehen wir ebenfalls deutlich, dass jenseits der 590 cm Marke in der blau markierten Periode bis 2013 sich einiges getan hatte. In den letzten Jahren (rot markiert) aber nichts mehr. Ansonsten scheint uns die Verteilung der Daten auf den ersten Blick eher unverdächtig – allenfalls scheint es etwas gehäufter zu Niedrigwasser zu kommen, was wiederum mit dem gesunkenen durchschnittlichen Durchfluss zusammen passen würde.

Punktgrafik: Die Pegelstände sind hier auf der X-Achse aufgetragen, die Häufigkeit auf der Y-Achse. Interessant ist vor allem der Bereich, rechts der roten Linie. Bevölkert wird dieser fast nur von den blauen bis-2013 Punkten. Möge es so bleiben!


Was lernen wir nun daraus?

Die Eingangs gestellte Frage, wann wieder mit einem Besuch der Donau zu rechnen sei, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. »Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.« lautet ein unter anderem Mark Twain zugeschriebenes Bonmot. Wir werden es trotzdem wagen und uns die in Frage kommenden Ursachen genauer ansehen: Klimawandel, Wehrbetriebsordnung, Rückhaltemaßnahmen im Einzugsgebiet, …. Wir halten euch jedenfalls am Laufenden. Wer sich an den Recherchen und Überlegungen beteiligen möchte, ist herzlichst dazu eingeladen! Erste Anlaufstelle ist der Hochwasser-Space des Strombad Forums2. Dort finden Interessierte auch alle diesem Artikel zu Grunde liegenden Daten, Quellen und Diskussionen.

Kennzeichnende und kritische Pegelstände

Pegelmessstelle Korneuburg

Pegel
RNW – Regulierungsniederwasser 196 cm Die Schiffe sollten in der Fahrrinne noch 2,5 m »Luft« nach unten haben, Stauräume erreichen den niedrigsten, zugelassenen Wasserstand
MW – Mittelwasser 290 cm Das langjährige, arithmetische Mittel
HSW – Höchster Schifffahrtswasserstand 545 cm Die Schiffe kommen gerade noch unter den Brücken durch, Stauräume der Kraftwerke erreichen ihre obere Stauzieltoleranzgrenze.
Hochwasserwarnung 580 cm Bei Prognose »steigend«, Lautsprecherdurchsage der Polizei.
Räumung 650 cm Aufforderung durch die Polizei: Das Strombad muss sofort verlassen werden.
Stromabschaltung 750 cm Wien Energie entscheidet über Stromabschaltung im Strombad.

Fachliche Beratung: Leni Mühlmann. Berechnungen: Lisbeth Eischer, Anoki Eischer. Daten: Viadonau. Fotos: Markus Holler. Text und Diagramme: Ingo Lantschner

Quellen

Freiwillige Feuerwehr Kritzendorf. Hochwasserinfo 🌐

Viadonau. KWD 2020 🌐


  1. Dass wir den Treppelweg bereits ab 590 cm als überflutet betrachten ist den Tagesmittelwerten geschuldet, die wir zu Grunde legen. Bei einem Mittelwert von 590 ist mit Spitzen auf 600 im Allgemeinen zu rechnen. ↩︎

  2. https://strombad.social/s/notfall/ ↩︎

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