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Nach über 6 Jahren: Eine begrünte Fassade mehr in Mariahilf.
Handskizzen, Feuerwehreinsätze, falsche Tröge – der lange Weg zur Begrünung einer Hausfassade.
Inhalt
Ich kann es noch immer nicht fassen – aber jetzt ist es endlich geschafft! Nach zahlreichen Rückschlägen wurde die straßenseitige Fassade des Hauses Marchettigasse 5 in Wien-Mariahilf begrünt. Doch wie kam es dazu und warum dauerte das ganze 6 Jahre lang? Schauen wir uns die einzelnen Etappen einmal an.
Der Beginn einer sehr langen Reise …
Im Mai 2019 erstellte unsere Hausverwaltung (HVw) erstmals eine Handskizze. Das Haus hatte noch keine Jallousien vor den Fenstern. Daher wollten wir die gesamte Fassade bis ins 3. OG hinauf begrünen. Bei dieser, in Summe großen Blattoberfläche wäre eine direkt im Erdreich wurzelnde Kletterpflanze die erste Wahl gewesen, was in einer von der MA 28 im August 2019 abgehaltenen »Projekt- und Einbautenbesprechung« resultierte. Eingeladen waren 36 verschiedene Magistratsabteilungen und Infrastrukturbetreiber – der Besprechungssaal war gut gefüllt.
Das Gesprächsklima war zwar konstruktiv aber angesichts der Vielzahl an Teilnehmenden und der schwierigen Lage durch die vielen Einbauten und Kabelstränge im Gehweg hat sich diese Variante letztendlich als zu schwierig herausgestellt. Die Telekombetreiber beispielsweise hätten darauf bestanden, dass ihre im Wurzelbereich befindlichen Leitungen in Rohre verlegt werden. Dabei entstehen Kosten, die sich unser Haus nicht hätte leisten wollen.
Pflanztröge als Lösung
Zwei Jahre später, im Jahr 2021 wurde das Amtshaus in Mariahilf begrünt. Sehr schön ist es geworden! – aber das Budget von 230.000 € kann eine WEG nicht stemmen. Ein Großteil davon soll in die Sanierung und Abdichtung der Grundmauern geflossen sein. Das wäre bei unserem Haus, einem Neubau, vielleicht gar nicht nötig gewesen. Wir konnten diese Frage aber letztendlich nicht klären.
Durch die Montage der Jallousien vor den straßenseitigen Fenstern hatte sich die Situation auch grundlegend geändert: Wir wollten nicht riskieren, dass eine ausbebüchste Rankpflanzen die Jallousien beschädigt. Damit war nur noch die EG-Zone zu begrünen. Diese reduzierte Blattoberfläche lässt sich leicht auch aus einem Pflanztrog heraus mit Wasser und Nähstoffen versorgen.
Die Lösung war also, dass wir die empfindliche Sandsteinfassade mit vorgestellten Pflanztrögen schützen, aus denen heraus dann die EG-Zone begrünt wird. Eine solide Idee die eigentlich rasch und unkompliziert zu realisiert sein sollte. Doch es kam anders.
November 2020: Wir erhalten von einer Gärtnerei ein erstes Angebot, um einen Teil zu begrünen. Kosten € 9.906 inkl. Pflanzgefäßen und Bewässerung. Auch ein Installateur legt ein Angebot für die Bewässerung, Kosten € 2.117.
Jänner 2021 – Beschluss der WEG: »Die Straßenseite der Fassade des Hauses Marchettigasse 5, 1060 Wien soll bis zur Höhe des Erdgeschosses begrünt werden.«, mit einer Mehrheit von 52,67%, 15,51% der Eigentümer sind dagegen.
Februar 2021: Angebot eines Stahlbauers für Pflanztröge über € 12.840 ausreichend für eine Teilbegrünung.
Jänner 2023: Ein Eigentümer erstellt einen Skizze, nach der erstmals nicht nur einzelne Töpfe aufgestellt werden würden. Diese Variante sollte sich letztendlich durchsetzen.
Ein Feuerwehreinsatz bringt Schwung in die Sache
April 2023: Die Fassadenplatten sind in einem nicht mehr akzeptablen Zustand. Die Feuerwehr muss ausrücken, um eine Platte zu sichern. Auch weil solche Einsätze an die Hauseigentümer verrechnet werden, kommt wieder einmal Bewegung in diese Sache.
April 2023: Der Bescheid der MA 46 zur Aufstellung der Pflanzentröge ist positiv. Auf der Eigentümerversammlung wird die Begrünung einmal mehr diskutiert. »Die Pflanzentröge sollen mit einer Verstärkung (vandalismussicher) ausgeführt sein, die mechanische Beschädigungen abfedern kann. Das Rankgerüst soll stabil am Trog befestigt sein.« Jetzt müssen wir nur noch jemanden finden, der uns Töpfe und Klettergerüste technisch solide und ästhetisch ansprechend entwirft. Was sich als unerwartet schwierig erweisen sollte:
Mai 2023: Anfrage bei den Architekten die das Haus geplant hatten. Wir bekommen als Vorschlag, einen Baum vor dem Haus zu pflanzen. Leider ist dies auf Grund der Einbauten nicht einmal theoretisch möglich. Obendrein löst ein Baum auch nicht unser Problem mit der ungeschützt vor sich hin bröckelnden Sandsteinfassade. Doch das ficht die Architekten nicht an, sie bestehen auf einer unveränderten Fassade:
»Es ist uns wirklich ein Anliegen dass das schöne Haus nicht entstellt wird! Wir haben die Fotos und die Skizzen für die Begrünung angeschaut und fragen uns warum die Eigentümer sich so eine komplizierte und teure Lösung für die sogenannte Fassadenbegrünung ausgesucht haben.«
Wir lernen aber daraus, dass zu hohe Pflanztröge sich negativ auf das Erscheinungsbild auswirken würden.
Gehwegverbreiterung und Bäume
Sommer 2023: Wasserleitungstausch in der Marchettigasse. Da die Straßen aufgegraben sind, werden gleich Umbauten an der Kreuzung zur Sandwirtgasse vorgenommen: Unser Haus bekommt einen sehr viel breiteren Gehweg, was die Begrünung mit Töpfen einmal mehr erleichtert. Dass zusätzlich auch zwei großzügige Baumscheiben und dann natürlich Bäume eingeplant werden, motiviert auch dazu, die Fassade des eigenen Hauses in Ordnung zu bringen und zu begrünen.
Dezember 2023: Wir versuchen von einem anderen Architekten eine Planung für auf das Haus abgestimmte Pflanztröge zu bekommen. Dieser besichtigt das Objekt, recherchiert einige Zeit und meldet sich dann nicht mehr.
Juni 2023: Wir kontaktieren die ÖGLA, die Österreichische Gesellschaft für Landschaftsarchitektur. Gartenarchitekten werden angeschrieben. Manche antworten, andere nicht – letztendlich verläuft alles im Sand.
Oktober 2024: Nochmaliger Beschluss der WEG (diesmal einstimmig) die Fassade zu begrünen. »Die Beauftragung soll unmittelbar erfolgen, damit die Anfertigung der Tröge bis zur Bepflanzung im Frühjahr 2025 erfolgen kann.«
Eigeninitiative führt letztendlich zum Erfolg
Da es den Eigentümern und der HVw nun reicht, werden die Tröge selber gezeichnet und beauftragt. Erst bei der Nachkontrolle des Angebotes fällt einer aufmerksamen Eigentümerin auf, dass mit den Abmessungen etwas nicht stimmen kann. Es zeigt sich, dass es grundlegende Missverständnisse zwischen HVw und WEG gab, das Aussehen betreffend.
Einige Eigentümer zeichnen Pläne, diese werden von der HVw nochmals kontrolliert und in Auftrag gegeben.
Juni 2025: Die Pflanztröge werden geliefert. Leider achtet der Schlosser bei der Montage nicht darauf, die Schrauben so zu setzen, dass das ganze auch noch nach Bepflanzung entfernt werden kann. Das führt zu weiteren Verzögerungen.
August 2025: Der Schlosser kommt nochmals. Die Tröge wurden richtig fixiert und von einer Gärtnerei mit Substrat befüllt und bepflanzt. Das Projekt ist nach über 6 Jahren abgeschlossen.
Begrünung muss zur Norm werden
Dass selbst kleine Vorhaben, die eigentlich in wenigen Monaten ohne Hektik zu erledigen sein sollten, über ein halbes Jahrzehnt benötigen, gibt mir zu denken. Liegt es am Amtsschimmel? Eher nicht. Wir haben durch die Bezirksvertretung viel Unterstützung bei dem Projekt erfahren. Auch die Umweltschutzabteilung der Stadt Wien (MA 22) hat uns immer wieder geholfen.
Was die Politik aber tun könnte, um die Begrünung von Häusern zu erleichtern: Ein Großteil der Verzögerungen wäre weggefallen, wenn die Pflanzgrube für die Fassadenbegrünung beim Bau des Hauses bereits eingerichtet worden wäre. Die Stadt sollte ernsthaft überlegen, bei jedem Neubau und bei jeder Öffnung eines Gehwegs, die für eine spätere Begrünung notwendigen Einbauten gleich vorzubereiten – unabhängig davon, ob eine Begrünung aktuell geplant ist. Die Mehrkosten dafür sollten, wenn die Grube schon einmal offen ist, überschaubar bleiben. Eine begrünte Fassade sollte für eine vom Klimawandel stark betroffene Stadt wie Wien nicht mehr die Ausnahme, sondern die Norm sein.
Tipps für begrünungsinteressierte Eigentümer und WEGs
Wer sein Haus ebenfalls begrünen will: Als wir damit begonnen hatten, war die rechtliche Situation seitens der Stadtverwaltung noch komplizierter. Das ist inzwischen deutlich einfacher. Also nur Mut und loslegen!
- Am besten gleich anfangen. Die Eigentümergemeinschaft ins Boot zu holen ist ein langwieriger Prozess. Auch ohne engagierter Hausverwaltung wird es sehr schwierig.
- Die Bezirksvertretung hilft und vermittelt den Kontakt zu den Magistratsabteilungen aber mitunter auch zu Planern und ausführenden Firmen.
- Sich Gedanken über die Gestaltung der Tröge zu machen, zahlt sich aus. Passen diese nicht zum Haus oder sind sie zu klein, wird das Ergebnis dem Haus nicht zur Zierde gereichen. Begrünung ist kein Selbstzweck und muss mit dem Haus harmonieren.
- Mitunter macht man Sachen besser selber. Planer und Handwerker sind leider immer wieder unzuverlässig oder denken nicht mit.
- Die Kosten sind, vor allem wenn man sich damit eine Sanierung der Fassade erspart, vertretbar. Diese Begrünungen werden auch gefördert. Aber unbedingt die Bedingungen ganz am Anfang und genau durchlesen!
- Bei der Auswahl der Pflanzen ist zu beachten:
- Selbstklimmer vs. Rankpflanzen: Letztere, die sich nicht direkt am Mauerwerk festhalten, sind leichter zu kontrollieren und zu pflegen.
- Efeu ist fast immer eine schlechte Wahl!
- Brandschutz mitdenken! Es ist immer damit zu rechnen, dass irgend ein Depp seine Tschick in die Pflanzung wirft. Also Totholz entfernen und keine Rankhilfen aus Holz.
- Halbschattenpflanzen, wie die Kletterhortensie, werden in der prallen Sonne nicht dauerhaft gedeihen.
- Bei Trögen muss eine automatische Bewässerung gleich eingeplant werden.
- Mehr dazu: Kletterpflanzen für die Stadt
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