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Reise durch Siebenbürgen und die Karpaten bis ans Donaudelta

Von Wien aus in knapp drei Wochen bis ans Ende der Donau – mit Eisenbahn, Taxis, Autobus, Booten und ein bissl einem Pferd.

Inhalt

„Weit vom Schwarzwald her, eilst du hin zum Meer …“

Franz von Gernerth, An der schönen blauen Donau

An unserem Stelzenhaus in Kritzendorf fließt sie vorbei und immer schon wollte ich wissen wie es weiter unten aussieht, am Ende, dort wo die Donau ins Schwarze Meer mündet. Also machten wir uns auf den Weg und ob der langen Strecke – schon die nur gedachte Luftlinie ist über 1000 km lang – planten wir einige Zwischenstops ein.

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1. Station: Brașov (Kronstadt)

IMG 5248 IMG 5248 Die Innenstadt von Brasov. Der Dacia-Express, ein von den Rumänischen Staatsbahnen betriebener Nachtzug, bringt eins von Wien ohne Umsteigen bis nach Bukarest. Wir steigen also am Abend in Wien zu und sind am nächsten Tag frühmorgens in Brașov, das noch vor Bukarest liegt. Die Fahrt verlief abgesehen von den nächtlichen Passkontrollen relativ reibungslos. Die Abfahrt in Wien erfolgte knapp eine Stunde verspätet und mit allerhand verwirrenden Gleiswechseln. Wir mussten Cris Lohners Stimme sehr genau lauschen, um nicht die Abfahrt zu versäumen. In Brașov kamen wir dann knapp zwei Stunden verspätet an. Meine Frau und ich hatten uns ein Zweier-Abteil im Schlafwagen »geleistet« und bequem-liegend spielen solche Verspätungen keine große Rolle mehr und sind eher Teil des Reiserlebnisses.

Das Wagenmaterial ist merklich in die Jahre gekommen und wirkt, vorsichtig ausgedrückt, nicht übermäßig gepflegt. Das entspannte Betrachten der vorbeiziehenden Landschaft und die allmählichen Veränderungen in der Umgebung entschädigen bis zu einem gewissen Maß dafür – macht doch dieses Erfahren der Entfernung eine Reise erst zur Reise.

Der »Speisewagen« wird seinem Namen auch nur bedingt gerecht: Es ist eher so eine Art Bistro, bei dem ein solider Filterkaffee und belegte Brötchen gekauft werden können, nebst jeder Menge Erfrischungsgetränken, Snacks und Alkoholika. Es empfiehlt sich also einen gewissen Vorrat an Essbarem und zumindest Wasser im Gepäck zu haben.

Immer ein Thema im Nachtzug: die Klos. Diese sind mal im Zweierabteil integriert mal muss mensch sich auf die Gangtoilette bequemen. Hat man das Glück einen Wagen mit privatem WC zugewiesen bekommen zu haben, hat man die Geruchsentwicklung bis zu einem gewissen Grad selber in der Hand. Integriert ist dann übrigens auch eine Dusche, die aber so aussieht, wie eine, die man nur benützt, wenn es unbedingt sein muss. Die Gang-WCs sind gegen Ende der Fahrt zum Teil nicht mehr benützbar.

2. Station: Lacul Bâlea (Kaparten)

Unser Plan war, dass wir uns in Brașov ein Auto mieten und damit in die Karpaten fahren. Dieses Vorhaben stellte sich vor Ort als schwierig heraus. Die einzige Vermietung im Zentrum der Stadt, die wir fußläufig erreichen hätten können, war geschlossen. Auf der Suche nach einem Chauffeur wurden wir aber fündig: Dieser brachte uns für wohlfeile 100 € bis zu unserer nächsten Unterkunft am Bâlea-See. Da wir von dort aus alle Touren auch gut zu Fuß erreichen konnten, wäre ein Mietwagen eh nur am Parkplatz gestanden.

Die Karpaten sind eine großartige Landschaft. Die Berge sind ab der Waldgrenze einerseits schroff und schön bizarr geformt, wie sich das für einen anständigen Berg gehört. Im Gegensatz zu den Alpen sind sie bis oben hin aber mit Gras überwachsen. Was auch auffällt: Der Latschengürtel fehlt, ohne dass wir uns erklären können warum. So wanderten wir also drei Tage lang über Hochgebirgswiesen, Grate und Gipfel und vorbei an einigen Seen.

Karpaten – Berge grün bis an die Spitzen

Es gibt rund um die Berge am Bâlea-See weniger Hütten als ich das von den Alpen kenne. Dafür campen mehr Leute am Berg was sich in einigen unschönen Ansammlungen von Müll und vor allem Scheißhaufen nebst als Klopapier missbrauchten Taschentüchern Das ist leider auch bei uns ein Problem, weshalb der Alpenverein neulich verlautbaren ließ: »Die Notdurft in freier Natur zu verrichten ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein ökologisches Problem. Dabei ist es wichtig zu verstehen, warum: Taschentücher bestehen oft aus Zellstoff und haben dadurch eine viel längere Abbauzeit als Toilettenpapier.« → Es geht um die Wurst bemerkbar macht.

Wirklich erstklassig sind die Wegmarkierungen rund um die Berge am Bâlea-See. Selbst bei bei Nebel – der häufig und schnell aufzieht – hätten wir uns wohl nicht verirrt. Ein lokaler Bergführer hat uns freundlicher Weise auf dieses oft unterschätztes Risiko eindringlich hingewiesen, was mit ein Grund war, dass wir die Touren ins Hochgebirge ausgelassen haben. Das Wetter wäre nicht sicher genug gewesen. Aber um ehrlich zu sein: Die Tagestouren rund um die Hütte haben mir gereicht.

3. Station: Sibiu (Hermannstadt)

Mangels Öffis versuchten wir ein Taxi zu organisieren, dass uns nach Sibiu fährt. Das war nicht möglich – sowohl die Taxizentralen als auch das Hüttenpersonal konnten sich nicht vorstellen, dass mensch ohne eigenes Auto zum Bâlea-See fährt. Also bemühten wir nochmals den Fahrer aus Brașov zum See und dann weiter nach Sibiu. Finanziell natürlich nicht ideal und ökologisch auch nicht gerade allererste Sahne doch mit einem Mietwagen, wäre am Ende wohl das Gleiche herausgekommen.

Sibiu (Hermannstadt) – einer der vielen schönen Plätze. Die hier erkennbare Ähnlichkeit mit Italien drückt sich übrigens auch in der Sprache aus. So ein Platz heißt auf Rumänisch »piața«, einen guten Abend wünscht mensch sich mit »bună seara«.

Jedenfalls waren wir dann bald in der wunderschönen Hermannstadt, so der deutsche Name. Ein Städtchen, dessen historische Bauten großteils die Kriege und Revolutionen gut überstanden hat. Im Zentrum fand ich dann auch eine deutschsprachige Buchhandlung mit dem klingenden Namen »Schiller«, bei der ich meine Reisebibliothek wieder nachladen konnte.

Weitere Highlights waren das neben der Kirche gelegene Cafe Wien mit allem, was ein Wiener Kaffeehaus ausmacht und das Jules-Restaurant in einem der zahlreichen Hinterhöfe dieser verwinkelten Stadt. Sehr gutes Essen und viel Platz für die Gäste. Die in Wien schon zur Normalität gewordene Unart, den Gastgarten mit so vielen Tischen und Stühlen zu bestücken, dass mensch gezwungenermaßen Rücken an Rücken mit wildfremden Menschen speisen muss, ist in Siebenbürgen unbekannt.

4. Station: Bukarest

Die Fahrt mit der Eisenbahn war wunderschön. Das wirklich leistbare Ticket in der 1. Klasse sorgte für einen klimatisierten Wagon und mit großzügigem Platzangebot.

Bukarest hätten wir auslassen können: Selbst historische Plätze wie der der Revolution, sind so wie die übrige Stadt ein einziger Parkplatz. Im Zentrum reihen sich Ruinen an gigantische Hochhäuser, die ohne erkennbares städtebauliches Konzept zwischen die vorhandene Substanz gekotzt wurden. Auch bei den Hotels zeigt sich ein seltsamer Hang zur Gigantomanie: Statt liebevoll gepflegter Zimmer werden protzige Schlafsäle vermietet, bei denen immer irgendetwas schon kaputt ist – dafür stehen aber mitten im Zimmer eine Badewanne und allerhand seltsame Spiegel. Vielleicht muss man das auch einmal gesehen haben – ein zweites mal, brauche ich das aber nicht.

Bukarest – einstmals schöne Häuser werden dem Verfall preisgegebenen.

5. Station: Crișan, Sulina und das Delta

Hafen von Sulina – die Schifffahrt spielt am mittleren Arm des Donau-Deltas eine große Rolle. Groß sind auch die Schiffe, die hier bis Tulcea auf der Donau fahren können, weil es keine Brücken gibt. Wir verlassen Bukarest so wie wir gekommen sind: Mit der Eisenbahn vom Nordbahnhof nur diesmal Richtung Osten, wo die Donau auf uns wartet. Bis Tulcea brauchen wir sechs Stunden und das waren die anstrengendsten auf der ganzen Reise: Der Wagon hatte fest verschlossene Fenster, was wegen der rauchenden Diesellok auch nicht anders möglich gewesen wäre. Die Waggons waren gut gefüllt, die Klimaanlage gab nach der ersten Stunde schon auf. Das Ladegerät für’s Smartphone begann wärend der Fahrt Rauchzeichen zu senden, die von der Diesellok produzierte Elektrizität hat es wohl nicht vertragen. Für unseren nächster Urlaub werden wir die Schweizer Staatsbahnen bemühen – schon rein des Kontrastes wegen.

Tulcea haben wir nur mit dem Taxi durchfahren, das uns zum Hafen gebracht hat, von wo wir mit einem Boot abgeholt wurden, das uns über den mittleren der drei Donauarme ins Delta Boutique Hotel brachte. Eine andere Form der Anfahrt wäre gar nicht möglich gewesen, im Donaudelta spielt sich so ziemlich alles auf Wasserstraßen ab. Auch Lasten- und Einsatzfahrzeuge sind meistens als Boote unterwegs.

Die drei Donauarme

Naturschutzgebiet Donau Delta – die wenigen, verbliebenen Bewohner der kleinen Dörfer (einige hundert Einwohner) bringen Touristen mit dem Pferdewagen ins Naturschutzgebiet. So wie am Anfang – die Donau quillt im Schwarzwald nicht aus dem Boden sondern speist sich aus zwei getrennten Quellflüssen – teilt sie sich auch am Ende, westlich von Tulcea, wieder auf: Drei Hauptarme führen dann bis ins Schwarze Meer wobei nur einer davon, der mittlere schiffbar ist.

Am Ende dieses mittleren Arms liegt die alte Hafenstadt Sulina und dort beim alten Leuchtturm befindet sich auf der Stromkilometer 0. Die eigentliche Mündung befindet sich aber noch ein Stück weiter stromabwärts. Wohl der großen Schiffe wegen, wurde der Kanal ins Meer hinaus verlängert, so dass die Donau am Ende nur noch von zwei wenige Meter breiten Landstreifen vom Meer getrennt ist.

Das Donaudelta

Ich hatte mir das Delta nicht annähernd so groß vorgestellt, wie es wirklich ist – 5800 km²! Würden wir das gesamte Burgenland fluten wäre dieses dann Feuchtebiet um einiges kleiner als das Delta der Donau. Der Artentreichtum ist augenfällig und da es kaum Autostraßen gibt läuft alles etwas langsamer ab. Mittels vom Hotel organisierter Bootstouren bekamen wir einen ersten Einblick in die Dimension und Schönheit dieser vom Wasser geprägten Landschaft. Der Transport erfolgt dabei mittels Booten und Pferdewagen.

Die eigentliche Donaumündung, also die des mittleren Arms, erkundeten wir dann zu Fuß. Ein Bootstaxi brachte uns nach Sulina, wo wir dann auf Schusters Rappen und dank des wie immer exzellenten Kartenmaterials von Open Street Map auf einen immer dünner werdenden Landstreifen der Donau entlang bis zum Meer wanderten.

Am Ziel: Links die Donau, rechts das Schwarze Meer – hinter der Baumgruppe finden sie zueinander.

Sehr schön war auch eine auf eigene Faust durchgeführte Tour mit einem Kanu zu einem nahegelegen See. Über verschiedene Kanäle fanden wir relativ rasch dorthin, »entdecken« auch eine Vielzahl von Vögeln – eine kleine Pelikankolonien inklusive. Die Rückfahrt wurde kurz spannend als es darum ging, den schmalen und aus der Entfernung – der See ist riesig! – kaum auszumachenden Kanal wieder zu finden. Doch auch hier half uns die am Handy offline verfügbare Karte des OSM-Projektes sehr. In Verbindung mit einem Kompass landeten wir auf den Meter genau dort, wo die Ausfahrt dann auch wirklich war. Auch ein Feldstecher, den wir eigentlich für die Vogelbeobachtung dabei hatten, half uns die kleine weiße Fahne, mit der die Ausfahrt markiert war, dann zweifelsfrei zu identifizieren.

See im Donau-Delta – Seerosen und andere Schwimmpflanzen lassen oft nur schmale Wasserwege für's Kanu. Im Hintergrund eine kleine Gruppe Pelikane, die sich ihr Gefieder putzen.

Lessons learned

Wie schon bei der Westbalkan-Reise vor zwei Jahren hat sich einmal mehr gezeigt: Langsamere Verkehrsmittel ermöglichen mir hochinteressante Reisen in den Nachbarländern zu erleben. Die Kosten waren auch diesmal wieder höchst überschaubar. Allerdings ist der Zustand der Bahnwagons in Rumänien in etwa so, wie die Preise es erwarten lassen.

Fahrtkosten und CO₂-Bilanz

Die Fahrtkosten betrugen auf der Hinfahrt rund € 370,- je Person. Wären wir geflogen, hätte die Strecke Wien–Bukarest € 100 gekostet – wäre also günstiger gewesen, als die Bahnfahrt. Allerdings hätten wir dann Siebenbürgen und die Karpaten ausgelassen, was sehr schade gewesen wäre. Der Bahn- versus Flugzeugvergleich ist bei dieser Routenwahl also nicht sinnvoll, denn mit dem Flugzeug lässt sie sich nicht machen.

Was die CO₂ Bilanz betrifft, hätte alleine der Hinflug 270 kg produziert. Die Fahrten im Land wären da noch hinzu gekommen, was sich auf rund 370 kg summiert hätte. Im Vergleich dazu: Von Wien bis ins Delta haben wir mit unserer Bahn-/Taxi-/Boot-Kombi nicht mehr als 136 kg produziert. Mit etwas Glück und besserer Planung hätten sich die langen Taxifahrten in Siebenbürgen vermeiden lassen, was den Verbrauch auf unter 100 kg gedrückt hätte. Diese »Berechnungen« sind lediglich gerechnete Schätzungen. Bahnkilometer wurden mit OSM berechnet, die CO₂-Bilanz von Booten über den Treibstoffverbrauch und dieser wiederum über Fahrtzeit geschätzt. Bei den Taxifahrten gehen wir von Leerfahrten bei der langen Rückfahrt aus – was das schlechteste Szenrio ist. Denkbar ist natürlich, dass sich das Taxiunternehmen über blabla-car o. ä. Plattform Kunden gesucht hat. Der Beitrag zum Klimaschutz ist also deutlich und nicht wegzudiskutieren!

All diese Zahlen wurden auf Basis der Hinfahrt, also von Wien bis zur Donaumündung berechnet. Retour sind wir etwas anders gefahren, mitunter auch per Bus statt Bahn und natürlich sind die langen Fahrten mit dem Taxi in Siebenbürgen nicht mehr angefallen. Die gesamten Transportkosten dürften also bei ungefähr € 500,- je Reisendem gelegen haben bei grob geschätzten 230 kg CO₂.

Strecke Verkehrsmittel Kosten
Wien 13A Bus € 2,40
Wien – Brașov Bahn (Schlafwagen, 2-er Abteil) € 140,00
Brașov – Bâlea-See (inkl. Leerfahrt retour) Taxi € 50,00
Bâlea-See – Sibiu (inkl. Leerfahrt retour) Taxi € 70,00
Sibiu – Bukarest Bahn (1. Klasse) € 29,08
Taxi in Bukarest Taxi € 7,50
ÖPNV in Bukarest U-Bahn, 3 Fahrten € 1,84
Bukarest – Tulcea Bahn € 19,18
Tulcea – Crișan Schnellboot € 28,57
Crișan – Sulina Bootstaxi € 12,24
Sulina – Crișan Bootstaxi € 12,24
Summe € 373,06

Tabelle Fahrtkosten Hinfahrt Bahn/Bus/Boot/Taxi Kosten per Person. ÖBB-Streckenanteil zum Halbpreis berechnet. Stand September 2024. Ein Lei wurde mit €4,9 umgerechnet.

Quellen

https://ingeb.org/Lieder/donausob.html

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