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Kletterpflanzen für die Stadt

Die wichtigsten Pflanzen zur Begrünung von Bauwerken, Mauern, Terrassen und Balkonen im urbanen Raum.

Inhalt

Begrünte Feuermauer in einem Innenhof in Wien-Mariahilf. Die verschiedenen Sorten des Wilden Wein (Dreilappige und Gewöhnliche Jungfernrebe) sind rot gefärbt. Die Kletterhortensie im unteren Drittel kippt gerade ins Gelbe. Die Pflanzen wurden in etwa zur gleichen Zeit gesetzt und veranschaulichen gut, wie unterschiedlich schnell Wilder Wein und Kletterhortensie sich entwickeln. Durch die Erderwärmung und die damit einhergehende Überhitzung der Städte gewinnt die Begrünung von Fassaden in der jüngeren Vergangenheit wieder eine größere Bedeutung. Wer bei dem Thema mitdiskutieren oder gar selber gestalten möchte, sollte einen Überblick über in Frage kommende Pflanzen haben. Folgend daher eine kurze Liste der wichtigsten Kletterpflanzen, um Mauern und Gebäude zu beranken.


Efeu

Der Gemeine Efeu (⚘ Hedera helix) ist die Kletterpflanze schlechthin und für manche, vor allem ältere Semester, oft auch ein Synonym für jede rankende Pflanzenart: „Das Haus mit dem Efeu“ stellt sich so manches Mal als ein mit wildem Wein überwachsenes Haus heraus. Spätestens im Herbst, wenn die Blätter des wilden Weins erst rot werden und dann abfallen, zeigt sich der Unterschied zum echten Efeu deutlich. Efeu ist immergrün und behält seine Blätter daher auch im Winter.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kletterpflanzen treibt der Efeu seine Sprossachsen in schmale Schlitze hinein. Diese wachsen später im Durchmesser kräftig (sekundäres Dicken­wachstum) und sprengen damit Mauern, Blitzableiter oder Fenster­bleche ab.

Efeu – Blätter und Blüten. Letztere sind da grün für uns Menschen unscheinbar. Als „Bienenweide“ spielen aber eine bedeutende Rolle.

Das immergrüne Blattwerk verdeckt auch im Winter ein allenfalls helleres Mauerwerk, was den einen oder anderen Innenhof merklich verdüstern kann. Nicht zu vernachlässigen ist auch das Gewicht eines Efeupolsters. Nach vielen Jahrzehnten erreichen die Pflanzen eine Masse, welche vom Mauerputz vielleicht nicht mehr gehalten werden kann.

Wenn Kletterpflanzen brennen ist der Efeu mit 87% überdurchschnittlich häufig vertreten. Ein noch wenig bekannter Aspekt ist die Brennbarkeit vor allem dichter, über die Jahre gewachsener Efeupolster mit viel Totholz und vertrocknetem Efeulaub. In Verbindung mit einer achtlos weggeworfene Zigarette kann so ein mehrgeschossiger Großbrand ausgelöst werden. Brände mit Kletterpflanzen sind selten. Der Efeu scheint aber relativ häufig in solche verwickelt zu sein. Dies könnte neben der Neigung zur Bildung von Totholz auch an der schützenden Wachsschicht auf den Laubblättern liegen, mit welcher sich diese immergrüne Pflanze vor Austrocknung zu schützen versucht. In dieser Hinsicht gleicht sie einem Nadelgehölz: Fichte und Tanne schützen sich auf die gleiche Weise vor Austrocknung und auch deren Nadeln sind, wie wir wissen leicht entzündlich.


Auf der Habenseite steht, dass im dichten Efeugestrüpp Insekten und Vögel gerne nisten. Die für unser Auge unscheinbaren Blüten sind eine wichtige Bienenweide im Herbst, weil das Nektarangebot um diese Jahreszeit schon recht mager ist. Die Früchte werden von Amsel, Rotschwanz oder Rotkelchen gerne verspeist. Für unsereins ist die Pflanze in allen ihren Teilen aber giftig. Das ist beim Entfernen umfangreichen, alten Efeugestrüps zu bedenken. Wer keinen Atemschutz trägt, dem kann bei dieser Arbeit schon einmal schlecht werden. Zum Thema Giftigkeit siehe auch Umgang mit „Giftpflanzen“ weiter unten.

Alles in allem ist gerade diese Pflanze für den urbanen Raum eher nicht geeignet. Allenfalls zum Überranken großer, frei stehender Mauern oder aus Gründen des Sichtschutzes in Balkonkübeln. Eben weil die Blätter auch im Winter bleiben, ist der Sichtschutz so ganzjährig gegeben. Nachteil gerade in Kübeln: Die Blätter verdunsten auch im Winter Wasser. Wenn der Wurzelraum in einem Planzkübel mangels Erdwärme durchfriert, vertrocknet der Efeu im Winter.

Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Efeu


Wein

Der Wilde Wein ist keine Wildform des Echten Weins sondern eine eigene Art. „Der Wein“ ist eine sehr ungenaue Bezeichnung für verschiedene Kletterpflanzen, die zum Teil nur weitschichtig miteinander verwandt sind. Grundlegend sind zu unter­scheiden der Echte Wein (⚘ Vitis) vom Wilden Wein (⚘ Parthenocissus).

Echter Wein

Der Echte Wein (⚘ Vitis vinifera) ist jene Pflanze, die auch am Weinberg wächst und uns die Trauben für das gleichnamige Getränk liefert. Die wilden Formen des Echten Wein, nicht zu verwechseln mit dem Wilden Wein, liefern kleinere Trauben, die aber dennoch verspeist werden können. Sie wächst nicht besonders hoch und benötigt ein Gerüst oder Drähte, an welches die Reben angebunden werden.

Echter Wein macht sich richtig gut an Mauern. Mit etwas Glück bei der Sortenauswahl und und einem warmen Herbst, können die Früchte auch verspeist werden. Hier scheinen übrigens die Fensterläden und die sehr grobe Mauer, die Rolle einer Rankhilfe zu übernehmen.

Echter Wein eignet sich allenfalls an einer menschhohen Mauer zur Begrünung derselben. Dann können die Früchte auch geerntet werden. Auf einer Pergola ist sie schon schwierig. Die süßen, klebrigen Früchte fallen ab und ziehen Wespen in großer Zahl an.

Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Weinrebe


Dreispitzige Jungfernrebe

Die Dreispitzige Jungfernrebe (⚘ Parthenocissus tricuspidata), auch Mauerkatze oder Veitchii genannt, ist ein Selbstklimmer und eine Art des Wilden Wein. Mit ihren Haftscheiben klettert sie oft mehrere Meter im Jahr an Mauern hinauf oder auch seitwärts beziehungsweise nach unten. Das macht sie zur Idealbesetzung, um große Flächen wie eine Feuermauer zu begrünen.

Dreispitzige Jungfernrebe – namensgebend bei dieser Art des Wilden Weins sind die spitz zulaufenden, dreilappigen Laubblätter.

Im Sommer schützen die dachzieglartig liegenden Blätter das Mauerwerk vor Regen und Sonne. Damit verhindern sie das Aufheizen des Mauerwerks in einem erheblichen Ausmaß. Durch die gleichzeitig Verdunstung kühlen sie die Umgebung zusätzlich. Die Haftscheiben haften nur oberflächlich am Untergrund an, ohne ihn zu beschädigen.

Ästhetisch ist vor allem das schöne Grün im Sommer und die oftmals großartige Herbst­färbung in kräftigen gelb und rot-Tönen zu erwähnen.

Herbstfärbung und Früchte der Dreipsitzigen Junfernrebe

Die blauschwarzen Beerenfrüchte reifen ab Oktober und weisen einen Durchmesser von weniger als einem Zentimeter auf. Die Früchte sind für den Menschen ungenießbar jedoch bei Vögeln ein beliebter Wintervorrat, der zum Teil bis ins Frühjahr auf der Pflanze hängen bleibt.

Haus in der Sandtwirtgasse in Wien-Mariahilf. Eine einzelne im Gehweg wurzelnde Pflanze wächst über mehrere Biedermeierhäuser. Das Haus rechts ist mit einem kaum sichtbaren aber offensichtlich sehr wirksamen Blechstreifen abgegrenzt. Der Wilde Wein lässt sich also gut steuern.
Die Mauerkatze kletter auch gerne nach unten. Hier wurde eine Brückenkonstruktion von oben nach unten begrünt.
Wände lassen sich ebenfalls von oben nach unten begrünen. Hier ein Blick in den Wienflusskanal beim Stadtpark. Die Weinreben links und rechts wurzeln allesamt oben.

Der Umstand, dass Wilder Wein auch nach unten wächst, macht diese Pflanzenart zu einer sehr interessanten, um mächtige Hitze­speicher wie die Wände des Wienfluss­kanals zu beschatten. Doch dazu an anderer Stelle mehr. Bis dahin sei auf die →Wienfluss Serie verwiesen.

Der Wurzelraum für nach unten wachsenden Wilden Wein - hier am Stadtpark in Wien – muss nicht groß sein, so lange er bewässert wird.

Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Dreispitzige_Jungfernrebe


Gewöhnliche Jungfernrebe

Gewöhnlichen Jungfernrebe – die Blätter sind stärker gegliedert und zarter als die ihrer Dreilappingen Schwester. Sie bildet auch weniger bis keine Haftscheiben aus – ist also allenfalls ein „Mauerkätzchen“. Eine weitere Art des Wilden Wein ist die Gewöhnliche Jungfernrebe (⚘ Parthenocissus vitacea). Sie bildet weniger Haftscheiben und ist für Rankhilfen wie Schnüre, Stäbe oder ein Gitter dankbar. Damit ist sie leichter in Schach zu halten. Für kleinere Flächen, die gezielt berankt werden sollen, eignet sie sich gut. In puncto Laub und Früchten gilt das gleiche wie für die Dreispitzige Jungfernrebe.

Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Gewöhnliche_Jungfernrebe


Sonstige Kletterpflanzen

Die folgenden Pflanzen ergänzen die oben genannten Klassiker. Ihre Auswahl erfolgte reichlich beliebig entsprechend den Erfahrungen des Autors.


Kletterhortensie

Die Kletterhortensie (⚘ Hydrangea petiolaris) ist tatsächlich eine Hortensie, die klettern kann. Sie wächst eher gemächlich, blüht in edlem Weiß und ist auch im Herbst und Winter eine Augenweide – letzteres wegen ihrer in zimtbraun beborkten, knorrigen Triebe und außergewöhnlich geformten Fruchtstände.

Kletterhortensie – Fruchtstand im Winter

Die Kletterhortensie ist kein Selbstklimmer, benötigt also eine Rankhilfe und ist somit die Idealbesetzung für kleinere Flächen, die gepflegt und kontrolliert bewachsen werden sollen. Ihr gediegnes Wachstum und Erscheinungsbild machen sie zum Mercedes unter den Kletterpflanzen.

Im Frühling ist die Kletterhortensie übrigens eine der ersten Pflanzen überhaupt, welche die wintergrauen Gemäuer mit ihren hellgrünen Blättern überzieht. Ein Faktor der vor allem in den tendenziell grauen Straßenschluchten der Städte nicht unterschätzt werden sollte.

Kletterhortensie im Frühling – während Wilder Wein und Hainbuchenhecke noch als winterliches Gestrüpp dastehen, erfreut uns die Kletterhortensie bereits mit ihren strahlend grünen Blättern.


Blauregen, Wisterie, Glyzinie

Der Blauregen (⚘ Wisteria) ist ein Schmetterlingsblütler, der sehr kräftig wächst. Auch wenn er kein klassischer Selbstklimmer ist, also an einer glatten Wand nicht ohne Rankhilfe empor wachsen kann, windet er sich dennoch an Blitzableitern, Kabeln oder Dachrinnen empor und kann dabei langfristig Bauschäden verursachen.

Die Glyzinienblühte ist ein Erlebnis für sich. Nicht nur für's Auge denn auch der Duft und das Summen der zahlreichen Insekten sind ein Fixpunkt im Frühlingserwachen.

Großartig ist die Blühte und der Duft im Frühling – vor allem wenn die Pflanze im späten Winter zurück geschnitten wurde. Ansonsten ist sie ein toller Beschatter von Pergolen oder Terrassen. Aber wie schon erwähnt, sie will in Schach gehalten werden. Wer sie regelmäßig schneidet, wird keine Probleme mit ihr haben sondern im Gegenteil, durch besonders viele Blühten im nächsten Jahr belohnt werden. Beim Schnitt ist darauf zu achten, allfälliges Totholz und trockenes Laub auch zu entfernen, um nicht über die Jahre eine erhebliche Brandlast direkt an der Fassade zu etablieren.

Die Pflanze ist in allen ihren Teilen für den Menschen giftig. Die Blüten sind für verschiedenste Insekten, allen voran die großen schwarzen Holzbienen, ein wichtiger Nektarlieferant im Frühjahr.

https://de.wikipedia.org/wiki/Blauregen

Umgang mit „Giftpflanzen“

Wie oben schon erwähnt, enthalten Efeu und Blauregen für Menschen giftige Substanzen. Zur Frage, wie relevant die von diesen Kletterpflanzen ausgehende Gefahr tatsächlich ist, teilt die Vergiftungs­informations­zentrale (VIZ) Die Vergiftungs­informations­zentrale ist eine telefonische Beratungsstelle, die bei Verdacht auf akute Vergiftungen rund um die Uhr zur Verfügung steht: Im Falle einer unmittelbar dringliche Anfrage wähle bitte: 01‑406 43 43. Folgendes mit:

  • Beim Efeu (⚘ Hedera helix) kommen relevante Vergiftungen üblicherweise erst nach Verzehr größerer Mengen vor.
  • Bei Blauregen (⚘ Wisteria sinensis) hingegen können bereits nach Verzehr einzelner Samen, Blüten oder Blatt­teilen Symptome auftreten.

In der Praxis kommt es daher bei Efeu zu keinen Vergiftungen. Im Falle einer Blauregen-Vergiftung ist mit Übelkeit und Erbrechen zu rechnen, da Kleinkinder meistens nur geringe Mengen zu sich nehmen. Dennoch ist es vielleicht sinnvoll, wenn Kleinkinder in Reichweite sind, wie oben beschrieben die Schoten schon im Spätsommer zu entfernen.

Abschließend noch ein Tipp der VIZ: „Wichtig wäre im Vorhinein zu wissen um welche Pflanze es sich handelt, dass heißt die Eltern sollten wissen, welche Pflanzen sie am Balkon, der Terrasse oder im Garten haben.“ So lässt sich nicht nur gezielt vorbeugen sondern im Falle des Verdachts auf eine Vergiftung auch rasch beraten.


Quellen

Vergiftungsinformationszentrale
Notruf: 01‑406 43 43.

Kurt Danzinger, Georg Pommer, Stephan Pomper, Dieter Werner, Brandverhalten bei Fassadenbegrünungen, MA 39

Thorwald Brandwein, Statistisches über Brände mit Kletterpflanzen und Strategien zu ihrer Vermeidung

DI Jürgen Preiss, Können Fassadenbegrünungen brennen?, Brandverhalten begrünter Fassaden. Aktuelle Untersuchungen aus Österreich Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22


Siehe auch

Energiewende-Magazin – Wien: Eine Stadt kühlt grün.


Bildnachweise

Hedera helix, H. Zell, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hedera_helix_002.JPG

Vitis vinifera, CC0, PxHere

Wilder Wein, IKAl, CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:WilderWein.jpg

Herbstfärbung, Wilder Wein, Von Johann Jaritz / CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53216162

Gewöhnliche Jungfernrebe, Dr. J.C. Knobel, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Parthenocissus_inserta,_Jan_Celliers_Park.jpg

Kletterhortensie, Nucatum amygdalarum, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hydrangea_anomala_21_4_2017_Kaisaniemi_0094.jpg

Blauregen Friedrich-Karl Mohr, CC BY 3.0 DE https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/deed.en, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Glyzinien-Bl%C3%BCte.jpg

Sonstige Farbphotographien Ingo Lantschner

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