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Impfstofflügen

Wurden wir, was die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe betrifft, belogen?

Inhalt

Bei der Diskussion Pro&Contra Impfen fällt manchmal der Satz „Sie haben uns angelogen und die Impfung wirkt nicht (gut genug)!“ Dieser Vorwurf ist in mehrfacher Hinsicht ungenau formuliert aber es dennoch wert, dass ihm genauer nachgegangen wird.

Die Ungenauigkeiten beginnen beim Subjekt - wer ist „Sie“? Selbstredend wurden die verschiedensten Neuigkeiten und darunter auch Wirksamkeiten der Impfstoffe von verschiedenen Personen, wie Wissenschaftlern und Experten 🌈 „Experte“ meint Expertlinge, Expertinnen und auch alle anderen Experten →gendern oder auch Institutionen kommuniziert. Bei vielen ist dabei der Eindruck eines heillosen Wirrwarrs entstanden, bis hin zum Eindruck belogen worden zu sein.

Atomgenaue 3D-Grafik des SARS-CoV-2-Virions Alexey Solodovnikov, CC BY-SA 4.0

Eine These dazu: Große Teile der Bevölkerung wünschen, dass ihnen verlässliche und damit meinen sie oft „endgültige Wahrheiten“ verkündet werden. Politiker oder auch Experten geben mitunter diesem Wunsch allzu leichtfertig nach. Ob solchen Vereinfachungen und Auslassungen eine täuschende Absicht zu Grunde liegt - das wäre die Voraussetzung um sie als „Lügen“ zu bezeichnen - lässt sich objektiv nicht klären und wird daher an anderer Stelle erörtert. Richtig falsch gelogen

Jedenfalls aber sollte mensch bitte klären, von wem genau er sich belogen fühlt, statt einen breit angelegten Generalverdacht gegen „die da oben“ zu entwickeln. Dies empfiehlt sich schon im Sinne eines gedeihlichen Miteinanders. Ganz egal wie lange diese Pandemie noch dauert: Es gibt auch ein danach und viele andere Themen, die sich ohne ein minimales Grundvertrauen in die Mitmenschen nicht werden lösen lassen.


Wirkt die Impfung überhaupt?

Die zweite Ungenauigkeit ist das Wörtchen „wirken“: Was sollte denn bewirkt werden? Dass mensch das Virus nicht bekommt, nicht weitergibt oder nicht erkrankt? Das Ziel der Impfstoffentwicklung war, einen Impfstoff zur Verfügung zu haben, der Krankheit und insbesondere schwere Erkrankung verhindern kann. Die Erwartungshaltung, als geimpfte Person sich nicht mehr infizieren zu können oder andere nicht mehr anstecken zu können, also eine sterile Immunität, war von Anfang an nicht ganz richtig. Sie war aber auch nicht ganz falsch. Denn richtig ist auch, dass neben dem Hauptzweck, die Erkrankung im Falle einer Infektion zu verhindern, auch die Infektion und Übertragung des Virus durch die Impfung beeinflusst werden. Und das wurde auch so kommuniziert - allerdings musste mensch zweitweise schon genau hinhören, um zu erkennen, dass es sich hierbei um mögliche Nebeneffekte und keine garantierten Wirkungen handelt.

Zur Frage, wogegen und wie sehr die Impfungen wirken, gibt es seriöse, naturwissenschaftlich und damit objektiv nachvollziehbare Studien, die sich somit einer Glaubensdiskussion entziehen. Fakten, wie die Schwerkraft, wirken unabhängig von einer allfälligen Gläubigkeit - niemand kann Kraft seines Glaubens fliegen. Der ebenfalls nicht wegdiskutierbare Placeboeffekt wird bei seriösen Studien, wie der hier diskutierten, mittels Doppelverblindung berücksichtigt. Wenig überraschend kommen auch solche Studien zu unterschiedlichen Zahlen - vor allem abhängig davon, wann sie gemacht wurden.

Wenn also anfangs über eine „96%ige Wirkung“ der Impfung gejubelt wurde und jetzt in den Spitälern jede Menge geimpfter Coronapatienten liegen, ist das noch kein Indiz dafür, dass wir „belogen“ wurden. Richtig ist vielmehr:

  • Die anfänglich mit 96% angegebene Wirkung der Impfung bezog sich auf die Verhinderung einer schweren Erkrankung, nach Infektion mit einer der damals im Umlauf befindlichen Variante.

  • Die Wahrscheinlichkeit, dank Impfschutz überhaupt nicht zu erkranken, lag damals bei 91%

Diese 91%ige Schutzwirkung ist ein relativ hoher Wert. Eine Grippeschutzimpfung entwickelt normaler Weise eine Schutzwirkung zwischen 41% und 60%.


Wieso erkranken dann so viele Geimpfte?

Wenn weit über die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist, die Impfung aber nur einen teilweisen Schutz bietet, müssen bei entsprechend hoher Infektionsrate logischerweise auch geimpfte Personen erkranken. Dazu eine einfache Rechnung:

Bei 8 Millionen Einwohnern, von denen 70% geimpft sind, entspricht dies einer Anzahl von 5,6 Millionen geimpfter Menschen. Werden von diesen nur 10% infiziert (das wären 560.000), so würde eine Impfung mit 91%igem Schutz vor Erkrankung die Zahl der daraus resultierenden Erkrankten auf 207 reduzieren. Der nicht geimpfte, 30%ige Bevölkerungsanteil von 2,4 Millionen würde dem nochmals 967 Erkrankte beisteuern. In Summe hätten wir also 1174 Krankheitsfälle in diesem Szenario. Zur Tabelle: Die Prozentsätze 0.037% und 0,403% entsprechen den 37 bzw. 403 je 10.000 erkrankten Menschen der Zulassungsstudie. Weiters wird für dieses Rechenbeispiel frei geschätzt angenommen, dass 10% der Bevölkerung zeitgleich infiziert sind. Das dem der Tabelle zu Grunde liegende Kalkulationsblatt kann hier herunter geladen werden.

Krankheitsfälle in Abhängigkeit vom Impfstatus
mit Impfung ohne Impfung gesamt
Bevölkerung 70% (560.000) 30% (240.000) 100% (8.000.000)
Erkrankungs­wahrscheinlichkeit 0,037% 0,403% -
Krankheitsfälle 207 967 1.174


Wozu impfen wir dann überhaupt?

Die 207 trotz Impfung erkrankten Personen, könnten den Schluss nahe legen:

„Wahnsinn, so viele Geimpfte erkranken! Der Impfstoff wirkt nicht!“

Nur wie wäre die Situation, wenn jene 70% der Bevölkerung, die wir oben als geimpft angenommen haben, sich nicht hätten impfen lassen? Dann würde die viel größere Zahl von 5,6 Millionen Menschen ebenfalls zu einem höheren Anteil erkranken und statt 207 die sehr viel höhere Anzahl von 2257 Erkrankte beisteuern. Unser Gesundheitssystem müsste bei gleicher Ausgangslage ohne Impfung 3224 Krankheitsfälle stemmen statt der 1174.

Das macht einen Unterschied, den alle zu spüren bekämen - auch jene, die überhaupt nicht an COVID-19 sondern einer ganz anderen Krankheit leiden, bekämen in einem solchen Fall eine schlechtere bis gar keine Versorgung mehr. Geimpfte Menschen tragen wesentlich dazu bei, dass es nicht zur befürchteten Überlastung der Spitäler kommt. Geimpfte Menschen tragen also wesentlich dazu bei, dass es nicht zur befürchteten Überlastung der Spitäler kommt.

Wir können es auch in die andere Richtung rechnen: Hätten sich statt 70% nun 98% der Bevölkerung impfen lassen, dann wäre - bei gleicher Annahme wie oben - die Verteilung wie folgt:

Krankheitsfälle bei hohem Impfstatus
mit Impfung ohne Impfung gesamt
Bevölkerung 98% (7.840.000) 2% (160.000) 100% (8.000.000)
Erkrankungs­wahrscheinlichkeit 0,037% 0,403% -
Krankheitsfälle 290 64 355

Bei einer hohen Durchimpfung müssen mathematisch bedingt mehr geimpfte als nicht geimpfte Menschen erkranken. Wir sehen also, dass mit einer genügend hohen Impfrate die paradoxe Situation eintritt, dass mehr geimpfte als nicht geimpfte Menschen im Spital liegen werden. Dennoch sinkt die Gesamtzahl der Erkrankten dramatisch ab. Statt 1174 erkranken nur noch 355 Menschen. Die Impfung tut also genau das, was sie soll: Weniger Menschen erkranken und die in einer Pandemie gefürchtete, gleichzeitige Erkrankung von zu vielen Menschen, wird verhindert. Dennoch erkranken in Summe sehr viel weniger als wie bei einer niedrigeren Durchimpfung.

Zusammenfassung

Dass der in der Studie getestete Impfstoff gegen die zum damaligen Zeitpunkt im Umlauf befindliche Corona Viren (SARS-CoV-2) tatsächlich und überraschend effektiv wirkten, ist objektiv nachvollziehbar und lässt sich nicht wegdiskutieren.

Dass geimpfte Personen trotzdem an COVID-19 erkranken ist nicht weiter verwunderlich. Auf den ersten Blick dem widersprechende Zahlen, wie dass in den Krankenhäusern neben den nicht geimpften auch geimpfte Patienten liegen, ergeben sich zwangsläufig, wenn eine ausreichende Mehrheit an Menschen sich hat impfen lässt. Sowohl für den Einzelnen als auch für das Gesundheitssystem ist ein aktueller Impfschutz nur von Vorteil.

Ausblick

Wir haben uns bisher auf die vorrangige Wirkungsweise der Impfung, die Erkrankung nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu verhindern, beschränkt. Erwünschte Nebeneffekte wie die Reduktion der Infektiosität oder dass mensch gar nicht erst infiziert wird, haben wir ausgelassen. Weiters beziehen sich alle Angaben und Überlegungen auf die Wirkung gegen die bei der Zulassung vorherrschenden Varianten. Zur Wirkung der Impfstoffe auf die spätere δ- und aktuelle ο-Variante, werden wir uns in einem späteren Artikel äußern.

Quellen

Die von der Stiftung Gesundheitswissen erstellte Seite zur COVID-19-Impfung bietet einen guten Überblick und Einstieg in das Thema. Deren Zahlen beziehen sich auf die verlängerte Zulassungsstudie. Solche verlängerten Studien erforschen, wie es mit den Teilnehmern nach Abschluss der Zulassungsstudie weiter geht. Daher unterscheiden sich vor allem die absoluten Zahlen gegenüber der originalen Zulassungsstudie.

Die Zulassungsstudie selbst ist für Laien relativ schwer zu verstehen. Für jene, die sich sich trotzdem reinziehen wollen:

Fernando P. Polack, M.D., Stephen J. Thomas, M.D., Nicholas Kitchin, M.D., Judith Absalon, M.D., Alejandra Gurtman, M.D., Stephen Lockhart, D.M., John L. Perez, M.D., Gonzalo Pérez Marc, M.D., Edson D. Moreira, M.D., Cristiano Zerbini, M.D., Ruth Bailey, B.Sc., Kena A. Swanson, Ph.D., et al., for the C4591001 Clinical Trial Group. Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine 🌐

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