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Der letzte „Big Mac“ aus Moskau auf Besuch im Strombad

Anlässlich des „Krido Open“ gastierte auch die performative Ausstellung KRISENZEITEN im Strombad.

„Der Glaube hat viele gerettet, aber auch die Vernunft.“

De Gudju, H.O.ME, 2022
„War Beautiful Nothing Hurts“ – Einladungsbild ortsspezifische Installation E. Martini

Im Rahmen des Rundgangfestivals Krido Open am 31. Juli 2022 präsentierte NATA Wien die Ausstellung KRISENZEITEN mit Joachim Keller, Stephan Hafner, Elsa Martini, Desislava Gudjunova, Cornelius Wildner.

In ihrer performativen Ausstellung thematisieren die Künstler 🏳️‍🌈 →gendern zwei Jahre Corona-Verlust und ‑Isolation und nun die weiteren Heraus­forderungen von Nachbarschafts­kriegen und Inflation.

Im Folgenden stellen die Künstler selbst ihre Arbeiten vor und erzählen ihre durchwegs spannenden Geschichten – macht euch auf etwas gefasst!


„Schmeckt und Punkt“

In dieser Arbeit konzentriert sich der Cornelius Wildner auf den Rückzug einer amerikanischen Fast-Food-Kette aus dem russischen Markt aufgrund von Sanktionen. Mit der Hilfe eines russischen Künstlerkollektivs kann sich das Publikum auf eine klangliche Reise zu einer neu eröffneten Vkusno i tochka-Filiale in St. Petersburg begeben.

Der letzte „Big Mac“ aus Moskau – konserviert für die Nachwelt in Epoxy-Harz.

Wildner unterstreicht die anhaltende Sehnsucht nach dem „American Way of Life“, der vom Regime noch unterstützt wird, verwoben mit einer melancholischen Tonspur, kombiniert mit einem Burger, skulptural festgehalten in Epoxy.

Vkusno i tochka, Schmeckt Und Punkt – Tonspur →anhören Eine Stimme im Soundtrack zu dieser Arbeit kommentiert: „Der Name ändert sich, die Liebe bleibt.“ Eine Verschmelzung dokumentarischer Arbeitsmethoden, ein Werk, in dem nichts wahr ist und doch alles wahr ist.

Vkusno i tochka (Schmeckt und Punkt) war zum ersten Mal in der Gruppenausstellung KRISENZEITEN im Kritzendorfer Strombad zu sehen.

Concept, Composition, Sound Design: Cornelius Wildner
Location Scouting & Recording: BIOROBOTY 019 & Alexander Pleshakov
Text: Cornelius Wildner in collaboration with Erka Shalari


Habitat 1 - 8

Als „Habitate“ werden sowohl Lebensräume für Tiere und Pflanzen, als auch Wohnstätten des Menschen bezeichnet. Die Objekte haben Erfahrungen der Isolation während der Pandemie zum Thema, sie symbolisieren aber auch unser – durch die vielfältigen Krisen und Bedrohungen unserer Zeit gesteigertes – Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz.

Habitat 1 - 8 von Stephan Hafner. Acht Glaszylinder, darin menschliche Figuren aus Karton und Klebeband, weiß bemalt. Höhe: 15 cm, Durchmesser: 4,5 cm


H.O.ME

„H.O.ME“ (Hate On Me) ist eine performative Installation zur interaktiven Reflexion. 

In die Gegenwart übersetzt, können im offenen Raum einerseits der Körper und seine Umgebung, andererseits die eigene Wahrnehmung verändert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Wahrnehmung. Intuitive Gesten schaffen eine kurzfristige Beziehung – ähnlich der so genannten Kontaktimprovisation, bei der nicht Harmonie, sondern Stimulation gesucht wird. Eine Art Entgleisung von Gewohnheiten.

HOME ..still landing – Videoinstallation von De Gudju. →Video ansehen

In der Tat gibt es keine Versicherung, die uns eine glückliche Zukunft verspricht. Dies ist ein zwei­schneidiges Problem. Der Glaube hat viele gerettet, aber auch die Vernunft.

Zwischen Angst und Mut schleicht sich ein Weg, dessen Ende unklar bleibt. Selbst wenn es Klarheit gibt, werden wir uns auf dem Weg der ständigen Grenzüberschreitung bewegen und dem Unbekannten vertrauen, wenn es gelegentlich zu einem Durchbruch kommt. Es ist ein Sprung in den offenen Raum und dann sofort in den Abgrund des Selbstbewusstseins. Vielleicht gibt es irgendwo am Horizont ein Portal?

Jeder von uns hinterlässt eine Spur im Gedächtnis der Welt – durch unsere Handlungen, unsere Gedanken oder auch unsere Irritationen. Alles, was wir uns vorstellen oder auch nur ahnen, kann einen Impuls auslösen, der Folgen hat, die sich dann irgendwann einstellen.


Corona — Krieg — Inflation

„Alle sind an allem schuld.“

F. M. Dostojewski

„Wenn man daran glaubt und nicht nur in diesem Fall, hängt alles miteinander zusammen. Ich habe deshalb den Sterlet, oder vielmehr sein Skelett, als Symbol für diese Zusammenhänge gewählt. Der Mensch befindet sich im Krieg auch mit der Natur, mit inflationärer Geschwindigkeit zerstört er sie … und sie schlägt zurück mit Corona und dergleichen. Meine Skulptur ist aus einem Pappelstamm, den schon der Biber angefangen hatte zu bearbeiten, allerdings aus Hunger… Ein Fundstück vom Donau-Ufer.“

Joachim Keller
Skulptur von Joachim Keller – Acipenser ruthenus 115 x 17 x 13cm Pappelholz. Elsa Martini (links) im Gespräch mit dem Bildhauer


Contemporary Trash

Contemporary Trash – eine Serie von Fotografien und Interventionen menschlichen Mülls, der auf ein „anspruchsvolles“ Niveau gebracht wurde.

Contemporary Trash – Installation am Strand im Strombad

Der Müll ist „sauberer“ geworden. Die Serie Contemporary Trash beginnt mit Fotografien, die 2021 auf der Insel Santorin aufgenommen wurden, als neben dem Stress und den Schwierigkeiten des Reisens zu dieser Zeit, dem Stress von Impfungen, Tests, komplizierten Online-Anträgen und der Erwartung eines gut gewählten Reiseziels, auch die scheinbare Normalität zu sehen war, dass Masken vergessen wurden, verstreut herumlagen oder Witze mit ihnen gemacht wurden, wie auf dem Foto einer maskierten Sphinx in einem privaten Raum, wo ich nur durch den Zaun fotografieren konnte.

Masken Auwaldidylle mit Masken bestehen aus Kunststoff und ihr Abbau in der Natur ist genauso unmöglich wie der jedes anderen Kunststoffs. Über dieses Problem wurde in letzter Zeit nachgedacht aber wir haben immer noch keine Lösung gefunden. Die Behörden ordnen weiterhin an, dass wir auch bei 36-37 Grad in den öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien Masken tragen müssen, obwohl wir nicht davon überzeugt sind, dass dieser Schutz wirksam ist oder ob es sich lediglich um eine Reaktion auf eine ängstliche Politik und ein Missmanagement der Krise handelt. Als Fahrgast mit einem anderen Hintergrund habe ich den Eindruck von zivilem Gehorsam in Wien.

Ich persönlich trage schon lange keine Maske mehr in den öffentlichen Verkehrsmitteln und rechne damit, bei Kontrollen angehalten zu werden und die Diskussion über eine mögliche Geldstrafe, Kriminalisierung und Bürgerrechte zu dokumentieren. Und was die ortsspezifischen Interventionen anbelangt, so finden sie im halb bewohnten Gebiet entlang der Donau statt, im so genannten Ruhegebiet vor der Einmündung der Donau in die Stadt Wien. Installation aus gebrauchten SARS-CoV-2 Testkits

Diese als Hochwasserrisiko­gebiete deklarierten Orte dienen als Kanäle für die überschüssigen Abflüsse der Donau, um die Stadt Wien vor Überschwemmungen zu schützen. Die Anwohner dieser Gebiete müssen damit leben.

Die Intervention mit den in der idyllischen Landschaft platzierten Masken ist ein emotionaler Zustand, den die imaginäre Flut hinterlässt. Die Serie ist noch in Arbeit, dokumentiert mit Fotos und Videos von Happening-Eingriffen, wie z.B. für die performative Ausstellung „Krisenzeiten“, und wird mit einer Videoinstallation abgeschlossen, als fertige Arbeit, nachts projiziert, in den ruhigen Gewässern der entlang der Donau angelegten Teiche.

Elsa Martini (übersetzt aus dem Englischen von Ingo Lantschner)


Improvisation

Ein unbekannter, offensichtlich noch sehr junger Künstler steuerte eine Bahnanlage aus zufällig herumliegenden Holzplanken bei.

Holzplankenbahn – improvisierter Beitrag junger Kunstschaffender


Künstler

Cornelius Wildner, https://soundcloud.com/cornkraft

Stephan Hafner, www.stephanhafner.at

De Gudju, (noch) keine eigene Homepage – Mitarbeit zum Beispiel in „Bis einer weint“ mit Ariel Oehl.

Klaus Joachim Keller, www.klausjoachimkeller.eu

Elsa Martini, www.elsamartini.com


Veranstaltung

Das Festival Krido Open wird alljährlich vom Verein Kulturinsel Strombad Kritzendorf 2024 veranstaltet. Gegründet wurde er als offene Interessen­gemeinschaft nach den Jahrhundert­hochwässern 2002 und 2013, um für die Erhaltung des historisch bedeutsamen Kulturjuwels Strombad einzutreten.

Am Tag des Festivals, welches heuer am 31. Juli stattfand, werden die Gärten zahlreicher Strombadbewohner für die Öffentlichkeit geöffnet und von Kulturschaffenden – die oftmals die Bewohner auch selbst sind – bespielt. Die oben beschriebene Ausstellung KRISENZEITEN war nur eine unter vielen. Das gesamte Programm kann im Artikel Krido Open 2022 nachgelesen werden.

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