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Das Wienfluss-Portal im Stadtpark

Alte Pläne zeigen, wie attraktiv Gewässer mitten in der Stadt gestaltet werden könnten.

Auf der Terrasse am linken Ufer ist eine Grotte projectiert, welche Abwechslung in die Terrassen-Architektur und dem Publicum Kühlung bringen soll.

Der Architekt. Wiener Monatshefte für Bauwesen und Decorative Kunst. Jahrgang 1900.
Der Abschluss der Wienflusseinwölbung am Stadtpark, wie um 1900 von den Architekten Ohmann und Hackhofer „projectiert“. Der Bereich war als „Grüne Promenade am Wasser“ konzipiert – teilweise auf zwei übereinander liegenden, unterschiedlich gestalteten Ebenen: oben mit Bezug zum oder Aussicht in den grünen Stadtpark. Die näher am Wasser liegenden Wege haben sorgfältig konzipierte Nischen, in denen Vasen aufgestellt wurden oder Begrünung vorhanden ist. Auch Beleuchtung wurde schon damals vorgesehen. Die Mauern wurden begrünt – von Steintrögen aus, die oben entlang der Wege links und rechts aufgestellt sind. Diese Promenaden luden aber auch zum Niedersetzen, zum Wohlfühlen ein – auf steinernen Bänken zur Beobachtung der plätschernden Wasserspiele, zum Aufenthalt in frischer, kühler, angenehm feuchter Luft.

Märchenhaft, phantastisch – ja geradezu bombastisch – wäre das Wienfluss-Portal am Stadtpark geplant gewesen. Die Idee, den Wienfluss aus dem überwölbten Bereich kunstvoll inszeniert wieder an der Oberfläche erscheinen zu lassen, war aber alles andere als eine Spinnerei. Beauftragt damit wurde das renommierte Architektenduo Friedrich Ohmann und Josef Hackhofer, welche unter anderem auch das Palmenhaus im Burggarten, die Brücke über den Tiefen Graben oder das Kurhaus in Meran entworfen haben. Die Pläne waren „vom Stadtrathe im Principe genehmigt“. Dennoch kam es anders – aus Gründen, die wir noch kennen lernen werden.

Die damaligen Planer wollten unter allen Umständen ein „schwarzes Loch“ und nackten Stein vermeiden. „Zu Eislaufzwecken ist eine Stauwehr unter der Stubenbrücke geplant“, der Wienfluss hätte also dort, wo wir heute Beton sehen, ein Wasserbecken befüllt. Damals dachte man ans Eislaufen, heute wohl eher an den kühlenden Effekt einer weiteren Wasserfläche mitten in der Stadt.

Doch auch abseits solcher Überlegungen hätte der Wasserspiegel der aufgestauten Wien einigen Reiz entfaltet. Während links eine Grotte „dem Publicum Kühlung bringen“ sollte, wären von oben und seitlich zahlreiche Wasserfontänen aus lebensgroßen Echsen und Mammuts ins Wasser geplätschert.


Schlußstein und Brunnenschale des Wienflussportals. Auf dieser Skizze Friedrich Ohmanns sind deutlich die gefesselte Echsen zu erkennen. Sie stehen für die Unterwerfung der Urgwalt des Wassers durch die Erbauer der Wienflussregulierung.

Wer nun glaubt, all dies wäre nur belangloser, dem damaligen Bauboom geschuldeter Pomp, der irrt. Freilich müssen es höchst optimistische Zeiten gewesen sein, die solche Pläne hervorgebracht haben. Auch lässt sich über Geschmack schlecht streiten. Aber die Architekten und Künstler haben sich einiges dabei gedacht. Vergegenwärtigen wir uns nochmals kurz die Situation kurz vor der Wienflussregulierung. Laufend verwüsteten die damals nicht beherrschbaren Wassermassen die Stadt. Mit der Regulierung sollte es erstmals möglich geworden sein, den Fluss zu bändigen. Mit Kenntnis dieser Hintergründe können wir interessante Details in der Symbolik der Figuren entdecken: So sehen wir zahlreiches gefesseltes oder zwischen Steinen eingeklemmtes, urzeitliches Wassergetier.

Man muss lange, lange hinschauen, um die ganze Zierlichkeit und Feinheit der Gedanken zu erfassen, die die Köpfe der genialen Architekten erfüllte.

Aus üppig wucherndem Grün blickt dem Beschauer überall phantastisches Urweltgetier entgegen, dessen groteske Gestalten nicht wenig die prächtige und doch ruhige Gartenstimmung fördern, auf die es den Schöpfern des Ganzen offenbar ankam.

Für reichliches Wasserspiel ist gesorgt. Zu den vielen Wasser­strahlen, die die verschiedenen Tiere von sich geben, kommen die großen Wassermengen hinzu, die un­unterbrochen aus der mittleren Oeffnung der Wölbung unterhalb des großen Bassins in die Tiefe fließen. Nach den Qualen eines heißen Sommertages wird es eine Erfrischung und Erquickung sein, die Plätzchen bei dem „Dekorativen Abschlüsse der Wienflußüberwölbung“ auf­zusuchen.

Neues Wiener Tagblatt, 25. März 1906


Froschmaul der seitlichen Brunnenschale. Nach den ursprünglichen Plänen sollte aus diesem Wasser in den darunter liegenden Wienfluss plätschern. Bereits im Jahr 1900 zeigte der Wienfluss noch einmal seine Krallen und schwemmte bereits gelagertes Baumaterial hinweg. Naturromantiker würden sagen, das Gewässer habe gegen seine Unterwerfung aufbegehrt. Faktum ist: Dem „Stadtrathe“ wurde die Sache zu kostspielig und im Laufe der Jahre wurde das Projekt immer mehr zusammengestrichen. Ohmann selbst soll die dann zur Ausführung gekommene Variante als „Friedhof“ bezeichnet haben – und so blicken wir heute auf Froschmäuler, die nach wie vor darauf warten, zur „Erquickung des Publicums“ Wasser speien zu dürfen.


Wienflussportal beim Stadtpark wie wir es heute kennen. Die teilweise Überwucherung kaschiert ganz gut, dass dieser Ort eigentlich ein zentraler Anziehungspunkt hätte sein sollen. So muss der güldenen Johann Strauß mit seiner Fidel bis auf weiteres die Besucher am Schmäh halten.


Potential, das darauf wartet gehoben zu werden

Wieviel ungenutztes Potential das Wienfluss-Portal noch bereit hält, erkennen wir, wenn wir aus der Überwölbung hinaus in den Kanal blicken. Links und rechts des schmalen Rinnsals sehen wir viel Beton und Steine. Diese Fläche wäre aber dafür gedacht gewesen, dauerhaft mit Wasser bedeckt zu sein. Vom rechten Ufer aus wären sogar Zugänge von dem darüber liegenden Restaurant vorgesehen. Die aktuelle Besitzerin hat diese unverständlicher Weise zumauern lassen. Jetzt stellen wir uns einmal vor, wie attraktiv dieser Bereich gestaltbar wäre – Gastro am Wasser inklusive. Wien hat ja schon einmal ein Entlastungs­gerinne für den Alltag nutzbar gemacht und so eine unschätzbare Grün- und Wasserfläche gewonnen. Es würde mich wundernehmen, wäre so etwas in der Art hier nicht auch möglich.

Ein Naherholungsgebiet für die Bewohner des ersten und dritten Bezirks zu Fuß in Minuten erreichbar, ohne Verkehrsmittel benutzen zu müssen, bietet sich hier doch an? Positiv aus stadtklimatischer Sicht sind die schon heute begrünten Seitenwände zu vermerken. Solche Grünpolster tragen wesentlich zur Abkühlung bei.
Aufgang zur Meierei. Die Eisläufer vom Wienfluss hätten damit einen direkten Zugang zur damaligen Milchtrinkhalle gehabt – heute ist er zugemauert. Nicht weit davon entfernt bei der Kleinen Ungarbrücke gibt es linksufrig einen großzügigen Abgang zur Sohle der Wien – dieser ist noch intakt und könnte jederzeit reaktiviert werden.


Siehe auch

Dieser Artikel ist Teil der →Wienfluss Serie


Quellen

DER ARCHITEKT. Wiener Monatshefte für Bauwesen und Decorative Kunst. VI. Jahrgang 1900.

Friedrich Ohmann, Wikipedia

Neues Wiener Tagblatt, 25.3.1906

Nur recht viel Grün! Das Wienfluss-Portal im Stadtpark, von Dr. Iris Meder


Bildnachweise

Friedrich Ohmann (Architekt), Abschluss der Wienfluss-Einwölbung am Stadtpark, Perspektive, 1903–1907, Wien Museum Inv.-Nr. 93306/2, CC0

Friedrich Ohmann (Architekt), Portal der Wienflusseinwölbung im Stadtpark, Schlußstein und Brunnenschale, 1903, Wien Museum Inv.-Nr. 106930, CC0

Das Wienflussportal von Friedrich Ohmann beim Stadtpark, 1./3., Johannesgasse.Blick Richtung flussaufwärts, CC BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wienflussportal_beim_Stadtpark.JPG)

Sonstige Farbphotographien von Ingo Lantschner, August 2022

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Dieser Artikel ist Teil der
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