Varia
... von Ihren Experten für eigentlich eh fast alles.
Finger weg von Facebook & Co!
Warum wir als Demokraten auf zentralisierten sozialen Medien nichts (mehr) verloren haben.
»Facebook gefährdet die Gesundheit von Menschen, Facebook ist mitverantwortlich für Hass, Hetze, Suizide, Versklavung und Völkermord. Facebook arbeitet auf der ganzen Welt mit verrückten Faschisten zusammen und fackelt eine Demokratie nach der anderen ab.«
Die Liste der durch »Soziale Medien« mitverursachten Krisen und Katastrophen ist tatsächlich lang – hier nur die wichtigsten drei: Diese Beispiele sind dem Artikel Und jetzt YouTube! entnommen und hier verkürzt wiedergeben. Quellenangaben ebendort.
- In Myanmar führen Aufrufe zur Gewalt via Facebook zu Übergriffen auf Mitglieder der Rohingya. Mindestens 10.000 Angehörige der Volksgruppe wurden getötet, 700.000 vertrieben.
- Der für die meisten politischen Beobachter überraschende Sieg Donald Trumps im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 dürfte auch auf bis dahin nicht gekannte Methoden der Manipulation mittels Sozialer Medien zurückzuführen sein. Federführend war dabei das Datenanalyseunternehmen Cambridge Analytica.
- Sinngemäß das gleiche gilt für den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, den Brexit. Aus unzähligen, von Sozialen Medien gesammelten Daten wurden Persönlichkeitsprofile von Menschen erstellt, deren Vorlieben und Schwächen ergründet, um dann maßgeschneiderte Werkzeuge für die psychologische Beeinflussung zu entwickeln. »Danach führt man die Menschen in einen Tunnel voller Fake News«, erklärte der ehemalige Cambridge Analytica Mitarbeiter und spätere Wistleblower Christopher Wylie.
Auch im kleinen Österreich sollten wir uns schön langsam Sorgen machen: Hier bastelt zumindest eine der politischen Parteien an einer für ihre Wähler höchst komfortablen Blase: »Wenn die FPÖ Botschaften unter die Wähler bringen will, braucht sie dafür die herkömmlichen Medien immer weniger. Stattdessen blasen (sie) die blauen Wortmeldungen durch die Kanäle der Partei auf Facebook und Instagram, Chatgruppen auf Telegram, FPÖ-TV auf YouTube und parteinahe Webseiten.« (Die Presse)
Wer meint, mit seiner Präsenz auf Facebook, Twitter & Co dem etwas entgegen setzen zu können, sitzt einem fatalen Irrtum auf. Die Algorithmen dieser Plattformen sorgen schon dafür, dass allenfalls irritierende Meinungen nicht aufeinander prallen. Denn die Plattformen müssen ihre Benutzer halten. Aber auch Nur-Lesende vermehren deren Macht. Jeder Benutzer mehr ist ein Werbekunde mehr und der lässt sich zu Geld machen. Gleichzeitig werden natürlich auch die Daten der Nur-Lesenden – wem folge ich, was lese ich, bei welchen Beiträgen verlasse ich die Plattform – aufgezeichnet und dazu verwendet, die Manipulationsmacht der Plattform zu vergrößern. Das Interessante dabei ist: Die Social Media Konzerne zahlen keinen Cent für die Inhalte! Und seit längerem schon tragen auch staatliche Stellen, Parteien, Interessenvertretungen und NGOs dazu bei, Social Media unentbehrlich zu machen, indem sie bereitwillig Inhalte für deren demokratieschädigendes Geschäftsmodell bereit stellen und ihre Bürger und Mitglieder in eine Social-Media Abhängigkeit treiben. Gleichzeitig machen sie sich aber natürlich auch selber von den Techkonzernen abhängig, indem sie die eigenen Kommunikationskanäle vernachlässigen.
Das ganze ist ein Dilemma: Einerseits sollten wir Demokraten aus oben genannten Gründen die Finger von diesen Sozialen Medien lassen. Auf der anderen Seite wird es immer schwieriger Menschen – und um die geht es ja dabei! – ohne Social Media Auftritt überhaupt noch zu erreichen. Was also tun?
Holen wir uns das Internet zurück!
Ein wesentlicher Teil der Lösung wird sein, sich die Kontrolle über den eigenen Auftritt im Internet wieder zurück zu holen. Ich glaube, der erste Schritt ist der schwerste: Einzugestehen, dass die mühsam erarbeiteten Follower auf zentralisierten Diensten, wie Facebook, Twitter oder YouTube nicht meine Follower sind, sondern Eigentum eines Dienstes, der jemand anderem gehört. Und dieser andere bestimmt, was »meine« Follower wann, wie und für wie lange in ihren Timelines zu sehen bekommen. Die Aufgabenverteilung kurz zusammengefasst: Die aktiven Benutzer liefern die Inhalte und Follower, der Dienst übernimmt deren kostenpflichtige Manipulation und monetarisiert das Ganze gnadenlos. Ein wahrhaft mieses Geschäft!
Der folgerichtig nächste Schritt ist daher zu einem föderierenden oder dezentralen sozialem Medium zu wechseln, bei welchem wir den konkreten Anbieter jederzeit wechseln und unsere Follower dabei mitnehmen können. Technisch stehen dafür verschiedenste Dienste schon zur Verfügung, die untereinander auch Nachrichten austauschen können. Bekannt wurden sie unter dem Sammelbegriff »Fediverse« Die im Stil eines Reiseführers gehaltene Fediverse Erkundungstour gibt einen ersten Überblick. . Der derzeit bekannteste Dienst des Fediverse ist das Twitter-ähnliche Mastodon.
Ein anderer Ansatz ist der Betrieb von Webseiten und interaktiven Foren. Diese können entweder selber oder von darauf spezialisierten Agenturen eingerichtet und betrieben werden. Die Kosten sind überschaubar und im Allgemeinen über Spenden oder klassische, nicht-personalisierte Werbung leicht zu finanzieren. Über Schnittstellen sind aus diesen Foren heraus dann auch wieder Benutzer in anderen Diensten erreichbar. Dieses, an das ursprüngliche, dezentrale Internetprinzip angelehnte Konzept, wäre ein wesentlicher Baustein, um das Dilemma mit den Sozialen Medien zu lösen. Wir müssen es nur endlich selber in die Hand nehmen! In diesem Sinne:
- Wechselt ins Fediverse! – und vernetzt euch dort statt auf Facebook, Twitter oder YouTube.
- Pflegt eure eigenen Webauftritte!
- Gründet und betreibt dezentrale Diskussionsforen und interaktive Medien!
Quellen
Varia – Blog. Und jetzt YouTube! 🌐
Die Presse. Die blaue Blase der FPÖ-Parallelwelt 🌐
ZDF Magazin Royale. Wie Facebook weltweit Demokratien zerstört
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