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Und jetzt YouTube!

Das Trara um Twitter ist kein einmaliger Zwischenfall sondern exemplarisch: Zentralisierte Soziale Medien sind niemals demokratie-kompatibel! Doch wie könnten zum Beispiel Videos ohne YouTube verbreitet werden? Grundlagen und ein praktischer Leitfaden zum demokratiefreundlichen Publizieren.

Was braucht es, damit die Aktivisten-Szene wirklich erkennt, dass sie derzeit bei YouTube, Twitter et al. weiter eine intransparente, kommerzielle und alles andere als demokratische Struktur unterstützen, einfach nur weil sie den Eindruck haben, dort mehr „Reichweite“ zu bekommen?

Wolfgang Cramer, via Mastodon zum Thema #Zentriverse.

Professor Dr. Wolfgang Cramer, Umweltgeograf und globaler Ökologe, ist Forschungsdirektor (CNRS) am Mittelmeer-Institut für Biodiversität und Ökologie (IMBE) in Aix-en-Provence (Frankreich). Das Urteil kling hart, YouTube als demokratiegefährdend zu brandmarken scheint vielen derzeit übertrieben. Doch so unrecht hat er nicht und nicht immer tut uns ein erratischer Milliardär den Gefallen, die Karten mit lautem Knall auf den Tisch zu legen. Die meisten entwickeln ihr antidemokratisches Potential im Stillen. Doch warum können Soziale Medien, die fest in der Hand eines einzelnen, gewinnorientierten Unternehmens sind, so gefährlich werden?

Zum einen weil sie einem Internet-typischen Phänomen unterworfen sind: The winner takes it all! Es ist beispielsweise für eine Video-Plattform nahezu aussichtslos, neben YouTube zu bestehen. Im Prinzip das gleiche gilt für Facebook, Instagram, TikTok, Reddit und wie sie alle heißen.

🏳️‍🌈 →„Gendern“ - geschlechterbewusster Sprachgebrauch Daraus folgend müssen diese Plattformen ihre Benutzer um jeden Preis an sich binden. Die dabei zum Einsatz kommenden Algorithmen müssen süchtig machen, müssen die eigene Meinung bestätigen. Täten sie das nicht, würden die Benutzer abwandern. Eine andere Plattform würde die Führungsrolle übernehmen und – siehe oben – ihre ehemalige Konkurrentin verdrängen. Soziale Medienkonzerne sind dazu verdammt, rücksichtslos zu wachsen. Die Netflix-Doku „The Social Dilemma“ arbeitet das Dilemma dieser Konzerne gut heraus. Sie sind um ihre Rolle eigentlich nicht zu beneiden.

Benutzer-Bindung um jeden Preis ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen: Diese Plattformen gehen praktisch über Leichen – nur so können sie ihre Führungsrolle behalten. Ein kleiner Auszug aus dem, was Social Media-Konzerne in den letzten Jahren angerichtet haben:

  • In Myanmar führen Aufrufe zur Gewalt via Facebook zu Übergriffen auf Mitglieder der Rohingya. Im Dezember 2021 wurde von Rohingya-Flüchtlingen bei einem Gericht im US-Bundesstaat Kalifornien Klage eingereicht. Darin heißt es, die Algorithmen des US-Unternehmens förderten Desinformation und extremistisches Gedankengut, das zu Gewalt in der realen Welt führe.
    Facebook ist wie ein Roboter, der mit einer einzigen Aufgabe programmiert wurde: zu wachsen“, heißt es in dem Gerichtsdokument. „Die unbestreitbare Realität ist, dass das Wachstum von Facebook, das durch Hass, Spaltung und Fehlinformationen angeheizt wird, Hunderttausende zerstörte Leben der Rohingya hinterlassen hat.
  • Der für die meisten politischen Beobachter überraschende Sieg Donald Trumps im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 dürfte auch auf bis dahin nicht gekannte Methoden der Manipulation mittels Sozialer Medien zurück zu führen sein. Während des Wahlkampfes kursierten Falschmeldungen in Facebook. Beispielsweise war eine Meldung, der Papst unterstütze Donald Trump, erfunden und wurde dennoch millionenfach aufgerufen.
  • Sinngemäß das gleiche gilt für den BREXIT. Aus unzähligen, von Sozialen Medien gesammelten Daten wurden Persönlichkeitsprofile von Menschen erstellt, deren Vorlieben und Schwächen ergründet, um dann maßgeschneiderte Werkzeuge für die psychologische Beeinflussung zu entwickeln. „Danach führt man die Menschen in einen Tunnel voller Fake News“, erklärte der Wistleblower Christopher Wylie. Besonders fies: „Dark Ads“ – Anzeigen die maßgeschneiderte Fake News anzeigen: Tierschützern wurde weisgemacht, die EU würde den Schutz von Eisbären verhindern, den Tee-Liebhabern, die EU würde Teekessel verbieten wollen. Solche absurden Botschaften wurden den dafür ausgewählten nur einmalig und für kurze Zeit eingeblendet, um zu unterbinden, dass die Empfänger Überprüfungen anzustellen beginnen.
Dark Ads der Vote.Leave Kampangne: Tierschützer (oben) und Teetrinker (unten) bekommen für kurze Zeit maßgeschneiderte Fake-News in ihre Zeitleisten eingeblendet. Dass wir diese zu Gesicht bekommen, ist der Hartnäckigkeit eines Parlamentarischen Ausschuss des britischen Unterhauses zu verdanken. Monatelang hatten die Abgeordneten Dokumente von Facebook eingefordert – letztendlich mit Erfolg.


Demokratieverträgliches „YouTuben“

Es wäre sinnlos, engagierten Menschen auszurichten, „YouTube ist böse, lasst die Finger davon!“, und ihnen damit die Möglichkeit zu nehmen, Bewegtbilder zu verbreiten. Niemand kann auf die Beweiskraft und emotionale Wucht dieses Mediums verzichten. Das Kräfteverhältnis zwischen hauptberuflichen Zerstörern und freiwilligen Rettern ist so schon asymmetrisch genug.

Doch es gibt gerade für Videos datenschutzfreundliche Alternativen, die nur noch nicht bekannt genug sind. Schauen wir uns daher an, wie wir praktisch Filme verbreiten können, ohne dabei ungewollt den Datenkraken zuzuarbeiten. Abhängig von dem, was wir verbreiten wollen, kommt eines von zwei Verfahren zum Einsatz.

Mittels invidious können Links zu Videos auf YouTube über anonymisierungs-Server verteilt werden. Diese sorgen dafür, dass der Datenkrake keine für sie verwertbaren Informationen zugeführt werden. Dieses Verfahren ist vor allem eine Übergangslösung, für bereits auf YouTube existente Inhalte, die aus rechtlichen Gründen nicht wo anders publiziert werden dürfen.

Praktisch ist dies auf zweierlei Methoden möglich: YouTube Videos datenschutzfreundlich zu verlinken ist eigentlich ganz einfach. Es gibt zwei Möglichkeiten, die in dem nebenstehenden Text genauer beschrieben werden.

  1. Direkt-Link: Die YouTube-ID am Ende der URL eines ausgewählten invidious-Servers anzuhängen. Das Video wird nach dem Anklicken sofort angezeigt und auch Beschreibung und Vorschaubild werden in den Post eingefügt. Nachteil: Wenn der vom Ersteller des Post ausgewählte invidious Server down ist, wird er Link ungültig.
    Liste der Server: https://docs.invidious.io/instances/
  2. Auswahl-Link: Die YouTube-ID am Ende der invidious-Server Auswahlseite (https://redirect.invidious.io/<YouTubeId>) anhängen. Der Benutzer kann dann durch Klick auf einen der GO→ Links über einen der aktuell verfügbaren Server das Video ansehen. Dieses System ist stabiler aber auch ungewohnt für viele Empfänger und somit verwirrend. Für den Ersteller des Posts entsteht damit auch ein geringer Mehraufwand, da er in seinem Post nun selber beschreiben muss, was in dem Video zu sehen ist.

Video mittels PeerTube Servern verbreiten

PeerTube ist eine Software, die jedermensch auf einem Server installieren und betreiben kann. Es gibt also sehr viele PeerTube-Server und täglich werden es mehr. Hast du ein Video selber erstellt oder die Zustimmung des Erstellers, solltest du es gar nicht erst auf YT hochladen, sondern über einen PeerTube Server verbreiten. Den Link zu diesem Video kannst du über jedes andere Medium verbreiten.

Ein tolles Feature von PeerTube ist: Die Benutzer aller föderierenden Sozialen Medien können dir direkt folgen. Also Benutzer von beispielsweise Mastodon oder Friendica können deinem PeerTube Kanal direkt folgen und von dort aus auch bewerten und kommentieren, ohne ein eigenes PeerTube-Konto anlegen zu müssen. Langfristig ein klarer Vorteil für die Verbreitung deiner Inhalte. Falls du aber bereits viele Follower auf YouTube hast, spricht auch nichts gegen eine Koppelung – also Inhalte sowohl auf YT als auch auf einem PeerTube-Server zu hosten. Das ist sogar automatisiert möglich.

Folgend noch ein paar Links zu Anleitungen, wie ein PeerTube Konto angelegt werden kann und wie Videos veröffentlicht werden können sowie ein Liste an PeerTube Servern, welche die Inhalte engagierter Menschen gerne verbreiten.

Hilfe und PeerTube-Serverliste

→ Reiseführer ins Fediverse

→ PeerTube Konto anlegen

PeerTube Server für engagierte Menschen: → tube.fediverse.at

Liste PeerTube Server: → joinpeertube.org



Quellen

CORRECTIV 2018-08-06. „Dark Ads“ bei Facebook: Wie mit Falschnachrichten Stimmung für den Brexit gemacht wurde 🌐

ORF dokFilm. Fake America Great Again. Wie Facebook und Co. die Demokratie gefährden.

SPIEGEL 2018-03-26. Facebook-Datenskandal, Der Brexit - ein großer Betrug? 🌐

ZEIT 2021-12-07. Rohingya fordern 150 Milliarden Dollar Schadenersatz von Facebook 🌐


Bildnachweise

erwähnt

Graphiken erstellt vom Autor

Erratum

In einer älteren Version waren die Rohingya in Äthiopien von mir verortet worden statt in Myanmar.

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