Varia
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Mausalarm und die Hutschnur des „Führers“
Putzige neuen Untermieter am Balkon – die leider abgesiedelt werden müssen, eine Posse von und mit Adolf Hitler und was wir vom Mäuserich übers Gendern lernen können.
Inhalt
Die heurige Apfelernte war rech üppig. Nach Hause gebracht wurden die Früchte aber alsbald zur „Fruchtfliegenweide“ und als mir das Geschwirre zu viel wurde, stellte ich das Obstkörberl auf den Balkon.
Am nächsten Tag waren die Äpfel deutlich angenagt. Ich hatte die Spitzmaus, welche schon seit Jahren über die Balkone unseres Hauses patrouilliert, im Verdacht. Komisch war nur die Größe der Fraßstellen. Spitzmäuse sind klein (~10 cm) und trotz ihres Namens keine Mäuse sondern insektenfressende Raubtiere, die alles bis hin zu kleinen Schlangen oder Wühlmäusen jagen und mittels ihres giftigen Speichels um die Ecke bringen. Äpfel sind für sie eher uninteressant. War Herr oder Frau Spitzmaus am Ende zum Vegetarier konvertiert? Die Carnivore war mir jedenfalls lieber – hoffte ich doch, dass sie auch die Engerlinge des Dickmaulrüsslers dezimiert. Jedenfalls hatte sich die Spitzmaus niemals an unseren Vorräten vergriffen und auch keine Kötel hinterlassen.
Um die Mittagszeit schaute ich zufällig durch die Glastür auf den Balkon und staunte nicht schlecht: Am helllichten Tag sitzt eine Mausgetier seelenruhig auf den Äpfeln und nagt sich höchst engagiert durch selbige hindurch. Ein bisschen hatte sie damit auch Glück: Dank ihres putzigen Auftritts kam eine Schlagfalle nun nicht mehr in Betracht – sie wird mittels einer Lebendfalle abgesiedelt.
Adolf und die Spitzmaus
Nicht mehr Fledermaus! Berliner Zeitung v. 1942: Diese Meldung war zu viel für den „Führer“. Bohrmann musste ausrücken um den Biologen die Leviten zu lesen. Anscheinend hat sich unsere Spitzmaus also verabschiedet, wurde von einem Marder gefressen, ist erfroren, verhungert oder die beiden Arten leben friedlich nebeneinander. Jedenfalls kommen wir nun nochmals auf den verwirrenden Namen Spitz„maus“ zurück: Wie schon erwähnt ist sie keine Maus und auch kein Nagetier sondern mit den Insektenfressern Maulwurf und Igel verwandt. Ähnliches gilt für die Fledermaus, welche ebenfalls keine Maus dafür aber überraschender Weise unser nächster, einheimischer Verwandter sein könnte. Nur die eben nicht heimischen Affen wären stammesgeschichtlich uns Menschen näher verwandt als die „Flattermaus“. So ganz geklärt dürfte die Abstammung aber noch nicht sein. Auch die Waale sind neuerdings als Flattertierverwandte im Gespräch, was insofern naheliegend ist, als beide sich mittels Echoortung orientieren. Der Größenunterschied ist aber schon gewaltig.
Um der Verwirrung um die falschen Mäuse ein Ende zu setzen, hatte die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde auf ihrer Hauptversammlung 1942 die Umbenennung in die die zoologisch sinnvollere, ältere Bezeichnung „Spitzer“ statt „Spitzmaus“ und „Fleder“ statt „Fledermaus“ bereits beschlossen. Dem damaligen „Führer“ ging das allerdings gewaltig über die Hutschnur:
Adolf Hitler, der diese Nachricht in der BZ gelesen hatte, gab sofort eine wütende Anweisung an Martin Bormann, den Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP, die von der DGS vorgeschlagenen Namensänderungen sofort rückgängig zu machen! Bormann schrieb am folgenden Tag an den Chef der Reichskanzlei Lammers: „In der gestrigen Zeitung las der Führer eine Notiz über die Umbenennungen, […]. Daraufhin beauftragte mich der Führer, den Verantwortlichen mit wünschenswerter Deutlichkeit mitzuteilen, die Umbenennungen seien umgehend rückgängig zu machen. Wenn die Mitglieder der Gesellschaft für Säugetierkunde nichts Kriegswichtigeres und Klügeres zu tun hätten, dann könne man sie vielleicht einmal längere Zeit in Baubataillonen an der russischen Front verwenden. Wenn derartig blödsinnige Umbenennungen noch einmal erfolgten, würde der Führer unbedingt zu entsprechenden Maßnahmen greifen; keinesfalls sollte man Bezeichnungen, die sich im Laufe vieler Jahre eingebürgert hätten, in dieser Weise abändern.“
Ja wenn der Führer nicht Wichtigeres zu tun hat … Wie auch immer, Umbenennungen waren damals also schon eine heikle Angelegenheit.
… und wie kommen Mäuse auf die Dachterrasse?
Irreführend ist übrigens auch der Name „Wald“maus, wenn auch auf andere Weise: Deren Habitat ist nicht, wie aus dem Namen zu schließen wäre, der Wald, sondern allenfalls dessen Ränder und viel mehr noch Gehölzstreifen zwischen Feldern, Parks und neuerdings – angeblich – auch Dachterrassen. Das Tierchen kann verdammt gut klettern und meterweit springen.
Bei mir waren es aber eben die „normalen“ Hausmäuse. Wie sie es wohl geschafft haben, zu uns in den 1. Stock zu kommen? Der Innenhof ist mit Gründächern und Kletterpflanzen gesegnet – die werden den ersten zwei Mäuschen vielleicht den Weg geebnet haben. Der Nestbau im Zwischenboden des Balkons ist dann wohl eher Routine für Herrn und Frau Maus.
Mäuse fangen
Für das Fangen mit Lebendfalle spricht, dass allfällige Fehlfänge, wie Maulwurf oder Spitzmaus, wieder ausgesetzt werden können. Schlagfallen erledigen die Tiere vielleicht nicht immer sofort, verletzen sie nur so, dass mensch dann vielleicht noch nachhelfen muss. Das „Auswildern“ einer gefangenen Maus ist irgendwie das nettere Erlebnis. Wie lange sie dann noch lebt, ist die andere Frage – aber die Lebenserwartung einer Maus ist generell recht überschaubar. Es geht, wie meistens beim Tierschutz, halt mehr um uns und unser Gemüt als um die Tierchen selber.
Wie Lebendfallen konstruiert sein sollten und was bei der Aufstellung zu beachten ist, berichten wir hier in Kürze in einem eigenen Artikel. Giftköder wäre auch eine Option, die am Markt ist, erscheint mir aber für meinen Anwendungsfall vollkommen übertrieben. Die Gefahr damit mehr Schaden anzurichten, indem die natürlichen Feinde der Mäuse gleich mitvergiftet werden, wäre auch noch zu bedenken. Und will ich irgendwo am Balkon oder gar in der Wohnung die Kadaver verendeter Mäuse herum liegen haben?
Die „Maus“ als grammatikalische Besonderheit
Das Substantiv „Maus“ ist übrigens auch eines der sehr seltenen Substantive im Deutschen, bei welchem die weibliche Form die generische ist und die männliche durch Anhängen des Suffix -erich gebildet wird. Sonst ist es ja immer umgekehrt: Die generische Form wird auch für nur-männliche Subjekte verwendet, wohingegen die weiblichen mit dem Suffix -innen extra gekennzeichnet werden. Die wohlbekannten, männlichen „Mäuseriche“, sind folgerichtig nur eine Teilmenge der Mäuse. Die weibliche „Mäusin“ müsste in den Sprachgebrauch hingegen erst eingeführt werden – das ist aber eine reine Gewöhnungssache und wirft weit weniger Probleme auf als der Gender‑* oder die Paarform.
🏳️🌈 →„Gendern“ - geschlechterbewusster Sprachgebrauch Dieses Prinzip – männliche wie weibliche wie andere Geschlechter jeweils mittels Suffix zu bilden und dafür die generische, suffixlose Form in Ruhe zu lassen – auf alle personenbezogene Substantive zu erweitern, ist ja meiner Ansicht nach die eleganteste und dabei konsequenteste Methode des Genderns. Dieser Blog ist so geschrieben.
Filme
Der Video-Kanal zur Serie: 🎬Mausgeschichten auf tube.fediverse.at.
Quellen
H.-J. Martin. Fledermäuse (Microchiroptera) 🌐
NABU. Stammen Fledermäuse von Vögeln ab? 🌐
Süddeutsche Zeitung. Überraschende Verwandtschaft 🌐
Rainer Hutterer. Berlin und die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde
Bildnachweise
Sonstige Farbphotographien und Videos Ingo Lantschner (erstellt mittels Iphone7 durch die Glasscheibe der Balkontüre)
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