Varia
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Hitzeschneise Wienfluss
Thermalkarten decken auf: Der Wienfluss bringt keine Kühlung mehr in die Stadt.

Thermalkarten erfreuen sich in letzter Zeit großer Beliebtheit. Wer sie aufmerksam studiert, wird nicht umhin kommen, ein Wiener Phänomen zu entdecken. Im Allgemeinen wirken Gewässer ja kühlend und sind dementsprechend in einem kühlen Farbton, meist in Blau dargestellt. Also sollten Gewässer und Hitzekarten in dieser Hinsicht doch deckungsgleich sein?
Das sind sie auch bei den meisten Wiener Gewässern: Allen voran die Donau inklusive der Altarme aber auch der Donaukanal und sogar die Teiche im Stadtpark sind auf Thermal- und Klimakarten als türkis-blaue Bänder deutlich zu sehen. Doch halt – fehlt da nicht noch ein ganz wesentliches Gewässer? War da nicht ein Fluss, der Wien den Namen Oder war es umgekehrt? Die Historiker sind sich in dem Punkt nicht einig. gab? Ja richtig! – der Wienfluss, auf Gewässerkarten klar zu sehen, fehlt auf den Klimakarten.


Wer sich vor Ort auf die Suche nach den Ursachen macht, findet einen scheinbar monströs überdimensionierten, offenen Kanal vor. In Kombination mit dem Umstand, dass die Wienflussregulierung – sagen wir es vorsichtig – nicht gerade naturnah gebaut wurde, haben wir derzeit eine enorme, nicht beschattete Speichermasse, welche bis in die innerste Stadt führt. Das kaum wahrnehmbare Bächlein irgendwo unten in diesem Graben kühlt natürlich nicht mehr relevant.
»Der Parkplatz ist eine einzige Betonwüste, und das zeigt auch die Messung des Bodens: 42,4 Grad. Die Autos dort sind kleine Backöfen« Krone am 8.7.2021 Ab dem Rüdigerhof, also beim heiß umkämpften Naschmarktparkplatz, bis zum Wienflussportal am Stadtpark verschwindet dieses Gewässer dann überhaupt unter einem Steingewölbe. Auf dieser Platte, am Naschmarkt werden im Sommer regelmäßig Höchsttemperaturen erfahren: Der Asphalt glüht, auf den brennend heißen Autos könnte mensch sich eine Eierspeis braten und wer lieber ins Auto einsteigt, muss aufpassen sich nicht am Lenkradl zu verbrennen.
Der kühle Wind wird nach oben gerissen
Die Wienfluss-Verbauung hat natürlich Folgen für das Stadtklima. Grundsätzlich würde vom Wienerwald ein kühles Lüftchen in die Stadt wehen. Doch lange bevor dieses die Innenbezirke erreichen kann, wird es von den bruzzelheißen Steinplatten der Flussregulierung in die Höhe gerissen. Die potentielle Frischluftschneise wird so zur faktischen Hitzeschneise.

Und was tun wir jetzt?
Dass ein Gewässer, welches die Stadt kühlen könnte, diese stattdessen weiter aufheizt, ist freilich ein Skandal. Doch diesen abzustellen erscheint kompliziert und auf der Suche nach Lösungen werden wir uns auch mit der Geschichte des Wienflusses auseinander setzen. → Die Geschichte des Wienflusses Vorab, zur Einstimmung schon einmal ein Blick in die Vergangenheit: Ein Gemälde, das den Wienfluss-Kanal am Ende des vorletzten Jahrhunderts zeigt, als dieser noch zugänglich war.

Siehe auch
Dieser Artikel ist Teil der Wienfluss Serie.
Im Forum Wienfluss tauschen sich am Thema interessierte Menschen aus.
Die Wien auf Mastodon.
Bildnachweise
Stadtklimaanalysekarte: Wiener Stadtklimaanalyse als Grundlage für Planungsprojekte (https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/grundlagen/stadtforschung/stadtklimaanalyse.html)
Thermal- und Windkarten: Urban Heat Islands (UHI) - Strategieplan Wien (https://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/uhi-strategieplan.html)
Gewässerkarte: Stadtplan Wien (https://www.wien.gv.at/stadtplan/)
Ferdinand Weckbrodt (Künstler), Ansicht des Wehr im Wienfluss oberhalb der Pilgrambrücke, 1884, Wien Museum Inv.-Nr. 312, CC BY 4.0
Erratum
In einer älteren Version war die Stadtklimaanalysekarte fälschlich als Thermalkarte bezeichnet, was im Kontext dieses Artikels aber keinen wesentlichen Unterschied macht. Dennoch wurde das nun richtig gestellt und der Bildnachweis nachgeholt.